Bern — Um langfristig eine sichere Stromversorgung der Schweiz zu gewährleisten, bereiten Energiepolitiker über die heutige Abstimmung zur Energiestrategie 2050 hinaus den Umbau unseres Strommarktes vor. Die Pläne sind revolutionär: Die Versorgung mit Elektrizität soll per Gesetz zur Staatsaufgabe erklärt werden. In der Maximalvariante muss der Bund eine Grundversorgungsquote und auch die Stromzusammensetzung festlegen sowie Lieferkonzessionen versteigern.
Um die Schweiz für die Zukunft zu wappnen, soll die Verfügbarkeit einheimischer Wasserkraft, aber auch von Solar- und Windstromproduktion gesichert werden. Denn der deutsche, aber auch der Schweizer Atomstrom fallen langfristig weg, und deutscher Kohlestrom verschwindet.
Um möglichst sauberen Strom zu haben, soll es womöglich nicht nur Quoten für Wasserkraft und andere Energieproduktionsformen geben, sondern auch für in- und ausländischen Strom. Alpiq-Präsident Jens Alder fordert, dass Schweizer Strom bevorzugt wird. «Die Schweiz muss definieren, welchen Eigenversorgungsgrad sie in Zukunft will», sagt Alder. Ohne eine solche Massnahme drohe die Importabhängigkeit. Eine Bevorzugung von Schweizer Strom dürfte die Preise insbesondere in den Nordostschweizer Kantonen steigen lassen. Dort sind die Tarife heute am tiefsten.
⋆ ⋆ ⋆
Editorial
Egal, wie die heutige Abstimmung herauskommt, von freiem Markt im Stromsektor wird nicht viel bleiben. Ganz im Gegenteil, die Bevölkerung wird die Stromwirtschaft sanieren müssen, sei es nun unter dem Titel Energiewende über Subventionen für Alternativenergie oder bei einem Nein über Subventionen für die traditionellen Energielieferanten, wie das Christoph Blocher zusammen mit Teilen seiner SVP fordert. Die Energiekommissionen des Parlaments zaubern nun ein Konzept aus dem Hut, das unter neuem Namen alles gleichzeitig bringen und vor allem die Eigentümer der Stromkonzerne begünstigen soll.
Was heisst das eigentlich, wenn man Versorgungssicherheit und Eigenversorgungsgrad garantieren will? Man zwingt die Konsumenten, teuren Strom von den Wasserkraftwerken zu beziehen. Das führt dazu, dass man die Wasserkraftwerke «Die Investoren hätten einen garantierten Gewinn» weiterbetreiben und neue Projekte realisieren kann, auch wenn das aus wirtschaftlichen Gründen kurzfristig nicht nötig und nicht rentabel wäre. Teuer für die Konsumenten würde das im Vergleich zu heute vor allem in den Eigentümerkantonen der Alpiq und der Axpo, also etwa in Zürich und im Aargau. In Bern, wo die Konsumenten schon heute gezwungen sind, den Strom der BKW zu beziehen, würde sich wohl nicht viel ändern.
Was sich aber ändern würde, wäre das unternehmerische Risiko. Die Manager der Stromkonzerne würden zu Verwaltern, und die Investoren hätten einen garantierten Gewinn. Darüber muss man reden, wenn man einen solchen Markteingriff durchführen will. Grösster privater Eigentümer bei Alpiq ist eine Investorengruppe um Martin Ebner. Sie stieg vor gut zwei Jahren mit 60 Millionen Franken ein und besitzt heute 3 Prozent der Aktien. Da kann man sich schon fragen, ob man ihr Engagement über Markteinschränkungen vergolden will. Der Rest der Aktien ist mehrheitlich in der Hand der Kantone, meist jener, deren Bürger künftig mehr zahlen müssen. Ein Teil der Aktien ist beim französischen Staat. Der wird sich bedanken.
Bedanken werden sich auch die Strom-Manager, denn diese beziehen gut die Hälfte ihres Lohns als Bonus. Jasmin Staiblin, CEO der Alpiq, deren Präsident davon spricht, dass er die Stromproduktion wegen der hohen Kosten nicht aufrechterhalten kann, kassierte letztes Jahr 1,8 Millionen Franken. Andrew Walo von der Axpo, der es nicht viel besser geht, 1,2 Millionen. Suzanne Thoma, CEO der BKW, der es besser geht, weil man in Bern mehr für den Strom zahlen muss, 1,3 Millionen. Faktor drei bis vier im Vergleich mit einem Bundesrat. Wie man das für die Verwalter des staatlichen Strommarkts rechtfertigen will, darauf warte ich gespannt.
Staumauer Muttsee im Kanton Glarus: Mit dem neuen Strommarktmodell könnte sich die Produktion von Wasserstrom wieder rechnen.
Foto: Axpo/Keystone
Editorial
Egal, wie die heutige Abstimmung herauskommt, von freiem Markt im Stromsektor wird nicht viel bleiben. Ganz im Gegenteil, die Bevölkerung wird die Stromwirtschaft sanieren müssen, sei es nun unter dem Titel Energiewende über Subventionen für Alternativenergie oder bei einem Nein über Subventionen für die traditionellen Energielieferanten, wie das Christoph Blocher zusammen mit Teilen seiner SVP fordert. Die Energiekommissionen des Parlaments zaubern nun ein Konzept aus dem Hut, das unter neuem Namen alles gleichzeitig bringen und vor allem die Eigentümer der Stromkonzerne begünstigen soll.
Was heisst das eigentlich, wenn man Versorgungssicherheit und Eigenversorgungsgrad garantieren will? Man zwingt die Konsumenten, teuren Strom von den Wasserkraftwerken zu beziehen. Das führt dazu, dass man die Wasserkraftwerke «Die Investoren hätten einen garantierten Gewinn» weiterbetreiben und neue Projekte realisieren kann, auch wenn das aus wirtschaftlichen Gründen kurzfristig nicht nötig und nicht rentabel wäre. Teuer für die Konsumenten würde das im Vergleich zu heute vor allem in den Eigentümerkantonen der Alpiq und der Axpo, also etwa in Zürich und im Aargau. In Bern, wo die Konsumenten schon heute gezwungen sind, den Strom der BKW zu beziehen, würde sich wohl nicht viel ändern.
Was sich aber ändern würde, wäre das unternehmerische Risiko. Die Manager der Stromkonzerne würden zu Verwaltern, und die Investoren hätten einen garantierten Gewinn. Darüber muss man reden, wenn man einen solchen Markteingriff durchführen will. Grösster privater Eigentümer bei Alpiq ist eine Investorengruppe um Martin Ebner. Sie stieg vor gut zwei Jahren mit 60 Millionen Franken ein und besitzt heute 3 Prozent der Aktien. Da kann man sich schon fragen, ob man ihr Engagement über Markteinschränkungen vergolden will. Der Rest der Aktien ist mehrheitlich in der Hand der Kantone, meist jener, deren Bürger künftig mehr zahlen müssen. Ein Teil der Aktien ist beim französischen Staat. Der wird sich bedanken.
Bedanken werden sich auch die Strom-Manager, denn diese beziehen gut die Hälfte ihres Lohns als Bonus. Jasmin Staiblin, CEO der Alpiq, deren Präsident davon spricht, dass er die Stromproduktion wegen der hohen Kosten nicht aufrechterhalten kann, kassierte letztes Jahr 1,8 Millionen Franken. Andrew Walo von der Axpo, der es nicht viel besser geht, 1,2 Millionen. Suzanne Thoma, CEO der BKW, der es besser geht, weil man in Bern mehr für den Strom zahlen muss, 1,3 Millionen. Faktor drei bis vier im Vergleich mit einem Bundesrat. Wie man das für die Verwalter des staatlichen Strommarkts rechtfertigen will, darauf warte ich gespannt.
arthur.rutishauser@sonntagszeitung.ch
www.facebook.com/sonntagszeitung
Editorial
Egal, wie die heutige Abstimmung herauskommt, von freiem Markt im Stromsektor wird nicht viel bleiben. Ganz im Gegenteil, die Bevölkerung wird die Stromwirtschaft sanieren müssen, sei es nun unter dem Titel Energiewende über Subventionen für Alternativenergie oder bei einem Nein über Subventionen für die traditionellen Energielieferanten, wie das Christoph Blocher zusammen mit Teilen seiner SVP fordert. Die Energiekommissionen des Parlaments zaubern nun ein Konzept aus dem Hut, das unter neuem Namen alles gleichzeitig bringen und vor allem die Eigentümer der Stromkonzerne begünstigen soll.
Was heisst das eigentlich, wenn man Versorgungssicherheit und Eigenversorgungsgrad garantieren will? Man zwingt die Konsumenten, teuren Strom von den Wasserkraftwerken zu beziehen. Das führt dazu, dass man die Wasserkraftwerke «Die Investoren hätten einen garantierten Gewinn» weiterbetreiben und neue Projekte realisieren kann, auch wenn das aus wirtschaftlichen Gründen kurzfristig nicht nötig und nicht rentabel wäre. Teuer für die Konsumenten würde das im Vergleich zu heute vor allem in den Eigentümerkantonen der Alpiq und der Axpo, also etwa in Zürich und im Aargau. In Bern, wo die Konsumenten schon heute gezwungen sind, den Strom der BKW zu beziehen, würde sich wohl nicht viel ändern.
Was sich aber ändern würde, wäre das unternehmerische Risiko. Die Manager der Stromkonzerne würden zu Verwaltern, und die Investoren hätten einen garantierten Gewinn. Darüber muss man reden, wenn man einen solchen Markteingriff durchführen will. Grösster privater Eigentümer bei Alpiq ist eine Investorengruppe um Martin Ebner. Sie stieg vor gut zwei Jahren mit 60 Millionen Franken ein und besitzt heute 3 Prozent der Aktien. Da kann man sich schon fragen, ob man ihr Engagement über Markteinschränkungen vergolden will. Der Rest der Aktien ist mehrheitlich in der Hand der Kantone, meist jener, deren Bürger künftig mehr zahlen müssen. Ein Teil der Aktien ist beim französischen Staat. Der wird sich bedanken.
Bedanken werden sich auch die Strom-Manager, denn diese beziehen gut die Hälfte ihres Lohns als Bonus. Jasmin Staiblin, CEO der Alpiq, deren Präsident davon spricht, dass er die Stromproduktion wegen der hohen Kosten nicht aufrechterhalten kann, kassierte letztes Jahr 1,8 Millionen Franken. Andrew Walo von der Axpo, der es nicht viel besser geht, 1,2 Millionen. Suzanne Thoma, CEO der BKW, der es besser geht, weil man in Bern mehr für den Strom zahlen muss, 1,3 Millionen. Faktor drei bis vier im Vergleich mit einem Bundesrat. Wie man das für die Verwalter des staatlichen Strommarkts rechtfertigen will, darauf warte ich gespannt.
arthur.rutishauser@sonntagszeitung.ch
www.facebook.com/sonntagszeitung
Bern — Unabhängig vom Ausgang der heutigen Abstimmung über die Energiewende und den Atomausstieg steht der Schweiz eine weitere grosse Umwälzung auf dem Strommarkt bevor. Unter dem Stichwort Versorgungssicherheit planen die Energiepolitiker eine Revolution. Marktdesign heisst das Zauberwort: Energieversorger sollen als Gegenleistung für eine garantierte Strommengenlieferung konzessioniert werden. Dafür sollen sie über den Strompreis hinaus mit einer Versicherungsprämie entschädigt werden. «Es braucht jetzt ein Strommarktdesign, um die Versorgungssicherheit zu garantieren. Die Energiekommission ist dran», bestätigt Stefan Müller-Altermatt, der Präsident der nationalrätlichen Energiekommission.
Um eine unabhängige und umweltfreundliche Energieversorgung sicherzustellen, braucht es laut der Politik Schritte, die über das erste Massnahmenpaket der Energiestrategie hinausgehen, über das heute abgestimmt wird. So sehen das auch die grossen Energieunternehmen (siehe Interview) sowie Energiepolitiker, die nach dem Auslaufen der Stromsubventionen um die einheimische Wasser- und Sonnenstromproduktion fürchten. Geplant war dafür ursprünglich eine Lenkungsabgabe, die erneuerbare Energie fördern, aber vorab zum Stromsparen hätte führen sollen. Das Projekt galt jedoch bald als Verwaltungsmonster. Das Klima- und Energielenkungssystem (Kels), das die Energie ohne allzu viel Wirkung nur verteuern würde, ist inzwischen politisch tot. Unbeachtet von der Öffentlichkeit versenkte auch die zuständige ständerätliche Kommission das Kels, nachdem sich schon der Nationalrat dagegen ausgesprochen hatte.
Die Energiepolitiker sind sich indes weitgehend einig, dass es zur Sicherung der Stromversorgung eine Neuregulierung des Strommarktes mit konzessionierten Grundversorgern braucht. Uneinig ist man sich aber noch, welches der möglichen Marktmodelle umgesetzt werden soll. Voraussetzung für jedes Modell ist ein Gesetzesartikel, der die «Versorgungssicherheit» zur Staatsaufgabe machen würde. Der Bund hätte dann die Grundversorgung mit Elektrizität zu gewährleisten.
Das ambitionierteste Modell dazu ist ein landesweites und für das ganze Jahr greifendes Versicherungsmodell, wie es beispielsweise dem Berner BDP-Politiker Hans Grunder vorschwebt. «Die Idee ist: Der Staat bestimmt einen Anteil am Stromverbrauch, der als Grundversorgung gilt, zum Beispiel 60 oder 70 Prozent.» Für diese Grundversorgung solle dann eine landesweite Konzession vergeben werden. Stromunternehmen könnten sich in einer öffentlichen Ausschreibung für diese Konzession bewerben, müssten aber die Lieferung der Energie garantieren, sagt Grunder. «Für diese Garantie erhalten konzessionierte Energieunternehmen dann über den Strompreis hinaus eine Art Versicherungsprämie.»
Mit dieser Prämie sollen notwendige Investitionen zum Ausbau der Stromproduktion bezahlt werden. Finanziert würde sie über einen Strompreiszuschlag, der die heute bereits existierenden Gebühren ablöste.
Innerhalb der Konzession würde auch ein bestimmter Strommix vorgeschrieben. Je nach Ausgestaltung förderte der Bund die Energiewende und die Unabhängigkeit von Stromimporten stärker oder schwächer. Denn auch die Herkunft des Stroms soll ein Parameter sein. Es wird in Bundesbern darum gerungen werden, ob nur im Inland produzierter Strom zugelassen wird oder ob auch Elektrizität aus dem europäischen Ausland als sicher im Sinn von garantiert verfügbar gelten kann.
Je höher die Eigenversorgung, desto stärker würde die inländische Produktion vor billiger ausländischer Konkurrenz geschützt. Es wäre faktisch eine Abschottung des Schweizer Markts vor ausländischer Konkurrenz, was dem Wunsch von Schweizer Stromproduzenten entgegenkäme. Entsprechend höher wäre aber wohl auch der Strompreis.
Mit dem Strommix würden auch die Produktionsarten vorgeschrieben. Der Konzessionsinhaber müsste also entsprechende Mengen Wasserstrom, Strom aus Sonne und Wind sowie allenfalls aus Gaskraftwerken liefern. Ob auch noch der Atomstrom so geregelt würde, ist eine weitere offene Frage. Denn auch hier beeinflusst die Zusammensetzung des Mixes die Höhe der Förderung alternativer und einheimischer Energieproduktion und ihren Preis.
Es herrsche ein breiter Konsens, dass «ein solches Marktdesign nötig ist, um die Energieversorgung zu sichern und die einheimische Produktion zu stützen», sagen verschiedene Energiepolitiker. Ob ein solches Marktmodell tatsächlich günstiger kommt als die Lenkungsabgabe und gar billiger als das heutige Fördermodell, darüber scheiden sich die Geister.
Skeptiker promoten deshalb eher das weit weniger ambitionierte Winterstrommodell: Nur für die Zeit von Januar bis April, in der die Schweiz Strom importieren muss, soll eine Stromliefergarantie versteigert werden. Wer die garantierte Winterstromlieferung also am billigsten offeriert, soll den Zuschlag erhalten.
Es wird sich weisen, ob sich am Ende eine Kombination der Modelle durchsetzt oder nur die Winter-Minivariante. Eine öffentliche Debatte darüber will man erst nach dem heutigen Urnengang führen.
⋆ ⋆ ⋆
Im neuen Energiegesetz sind Subventionen von 120 bis 180 Millionen Franken pro Jahr für die unter wirtschaftlichem Druck stehende Wasserkraft vorgesehen. Bei einem Nein am heutigen Sonntag würde dieses Geld ausbleiben. Was wäre die Folge?
Das Problem der Wasserkraft wäre dann noch grösser. Das Defizit, das die Kraftwerke erwirtschaften, würde noch höher ausfallen.
Bei einem Ja würden Sie hingegen jubeln?
Das Defizit der Schweizer Wasserkraft würde durch diese Stützungsmassnahmen geringer. Sie genügen aber nicht.
Die Politik entwickelt bereits weitere Massnahmen. Eine Abnahmegarantie soll dafür sorgen, dass Privatkunden und KMU, die den Stromanbieter nicht frei wählen können, den teureren Schweizer Wasserstrom übernehmen müssen. Kritiker sagen, dass Firmen wie die Alpiq so ihre Bilanz sanieren wollen.
Das stimmt nicht. Im politischen Prozess wird dafür gesorgt werden, dass die zusätzlichen Einnahmen auch dorthin fliessen, wo sie wirklich gebraucht werden, nämlich in die Schweizer Wasserkraft.
Warum sollen Privatkunden und KMU höhere Strompreise bezahlen, damit Firmen wie die Alpiq unrentable Kraftwerke finanzieren können?
Ich halte es für einen Skandal, dass der Schweizer Markt in ein Monopol für Privatkunden sowie Gewerbe und in einen freien Markt für Grosskunden aufgeteilt ist. Jene Stromversorger, die Monopolkunden beliefern, können das Defizit der Schweizer Wasserkraft ihren Kunden verrechnen, inklusive einer Gewinnmarge. Reine Stromproduzenten wie die Alpiq hingegen, die keine gebundenen Endkunden haben, müssen den Strom zum viel tieferen Marktpreis absetzen. Diese Regulierung muss angepasst werden. Es braucht eine langfristige Lösung des Problems.
Wie würde diese aussehen?
Die Schweiz muss definieren, welchen Energieversorgungsgrad sie in Zukunft will. Wieviel des benötigten Stroms also in der Schweiz produziert werden soll.
Warum?
Weil wir so ein klares Ziel haben. Dann können wir darüber diskutieren, wie wir es erreichen können. Ohne ein solches Ziel droht die Energiepolitik in einem endlosen ideologischen Konflikt stecken zu bleiben.
Wie hoch soll der Grad der Eigenversorgung sein?
Heute hat die Schweiz im Sommer zu viel Strom, im Winter zu wenig. Solche Zeiten wird es immer geben, eine völlige Autonomie wäre viel zu teuer. Mit der aktuellen Regulierung wird es aber nicht möglich sein, den heutigen Anteil an schweizerischer Produktion an der Stromversorgung aufrechtzuerhalten.
Warum importieren wir nicht einfach?
Ein reiner Import wäre eine gefährliche Strategie. Alle Staaten in Europa greifen in den Strommarkt ein, um die einheimischen Stromproduzenten und die Versorgung ihres Landes zu schützen. Doch was passiert, wenn in Deutschland im Winter die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht? Und wir importieren wollen, die Deutschen aber selber zu wenig Strom haben?
Die Strombranche will doch einfach die Verantwortung abschieben. Warum hat sie, anstatt in guten Zeiten Geld zur Seite zu legen, milliardenteure Pumpspeicherwerke gebaut, die gar nicht nötig sind?
2009 ahnte niemand, dass der Grosshandelspreis um rund 50 Prozent einbrechen würde. Das ändert aber nichts daran, dass die Anlage technisch gesehen eine geniale Lösung ist. Sie kann die täglichen Schwankungen ausgleichen, die durch die zunehmende Nutzung von Wind- und Sonnenstrom anfallen. Ihre Lizenz läuft über 80 Jahre. Niemand kann heute sagen, ob das tatsächlich eine Fehlinvestition ist.
Warum lässt man Unternehmen wie die Alpiq nicht in Konkurs gehen? Dann wären die Kraftwerke schuldenfrei und könnten billiger produzieren.
Weil das nichts ändern würde. Die Preise auf dem Strommarkt wären deswegen ja nicht höher. Das Problem geht zudem weit über die Energiebranche hinaus. Die Schweizer Kraftwerke haben mehrere Milliarden Franken Schulden in ihren Büchern, vor allem Obligationen, die etwa in den Depots der Pensionskassen liegen, die für unsere Altersrenten sorgen. Das sollte uns schon beunruhigen. Vor allem, wenn ich sehe, dass noch immer keine Klarheit darüber herrscht, wie dieses Problem gelöst werden soll.
Stromkunden dürften vielleicht bereit sein, die Schweizer Wasserkraft zu stützen, nicht aber die Atomkraft.
Die Wasserkraft ist für uns das wesentlich grössere und dringendere Problem. Die Atomkraft macht weniger Verluste. Aber auch ihre Probleme sind noch nicht gelöst.
In Deutschland hat der Staat die Haftung für die Betreiber der Atomkraftwerke begrenzt. Braucht es einen solchen Schritt auch in der Schweiz?
Das ist möglich. Langfristig funktioniert die heutige Regulierung der Kernenergie jedenfalls nicht.
Die Alpiq will 49 Prozent ihres Wasserkraftportfolios verkaufen. Sie wollten das ursprünglich bis Ende 2016 schaffen. Jetzt ist bereits Mitte Mai. Was ist die neue Deadline?
Eines habe ich gelernt: Keine Deadlines mehr zu kommunizieren. Das Geschäft ist komplexer, als wir dachten.
Haben Sie wegen dieser Verzögerung vor kurzem bekannt gegeben, dass Sie auch die restlichen Geschäftsfelder der Alpiq für Minderheitsbeteiligungen von Investoren öffnen wollen?
Nein. Es ist das grosse Glück der Alpiq, dass sie noch weitere Standbeine hat. Diese sind gut aufgestellt und haben grosse Wachstumschancen. Das Problem ist, dass der Grosshandelspreis für Strom schneller zerfällt, als wir die neuen Geschäftsfelder aufbauen können. Wir suchen nun Partner, weil wir dieses Wachstum nicht allein finanzieren können.
Gibt es Interessenten?
Wir haben derzeit nur ein Problem: Wir müssen den Interessenten sagen, dass sie erst in etwa einem Jahr einsteigen können. Der Appetit der Investoren ist bei allen drei Divisionen gross. Die Alpiq ist etwa in der Gebäudetechnik schweizweit führend. Grosse Chancen haben wir auch bei der Digitalisierung des Stromgeschäfts, ein Bereich, der mir als ehemaliger Telecommanager besonders gut gefällt.
Kommen auf die Alpiq neue Sparmassnahmen zu?
Wir müssen dauernd nach Einsparmöglichkeiten suchen. Die von der Geschäftsleitung aufgegleisten Massnahmen haben aber dazu geführt, dass die Alpiq sehr effizient aufgestellt ist. Grosse neue Sparmassnahmen oder einen weiteren Personalabbau sehe ich derzeit nicht.
Jürg Meier
⋆ ⋆ ⋆