Die BaZ Holding, die zu einem Drittel SVP-Politiker Christoph Blocher gehört, kauft rückwirkend auf den 1. Januar den Wiler Zehnder-Verlag. Das Geld für den Kauf stammt dem Vernehmen nach von Blochers Firma Robinvest, über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Damit können die neuen Besitzer ihr Publikum um über 700'000 Personen vergrössern. In der Deutschschweiz publiziert der Verlag 25 Gratis-Wochenzeitungen.
Die Übernahme weckt Ängste bei Politikern. So befürchtet die Zürcher CVP-Nationalrätin Kathy Riklin italienische Zustände: «Das ist wie bei Berlusconi vor ein paar Jahren.» Der Trend könne schon länger beobachtet werden. Blocher versuche, Medien zu kaufen, um an politischem Einfluss zu gewinnen. Man sehe bei der «Basler Zeitung» (BaZ), was das bedeute. «Dort wird viel Verdrehtes publiziert, solange damit die eigene politische Meinung gestützt werden kann.» Ähnlich argumentiert die Thurgauer SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher: «Damit ist bewiesen, was wir schon lange befürchten: Einzelne Milliardäre mit Parteibuch versuchen, die vierte Gewalt auszuhebeln.» Diese erneute Übernahme zeige, wie akut die Medienvielfalt in der Schweiz gefährdet sei.
«Solange die Unabhängigkeit der Journalisten nicht gefährdet ist, sehe ich kein Problem», sagt dagegen der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. Viel wichtiger sei es, dass die Zeitungen weiterhin bestehen können. Wenn dafür ein Konsolidierungsprozess notwendig sei, müsse man das akzeptieren. Medienprofessor Otfried Jarren glaubt, dass Blocher mit der Übernahme ein politisches Ziel verfolgt: «Das ist ja auch nicht verboten.»
Sowohl Christoph Blocher als auch Rolf Bollmann, Mitinhaber und Verwaltungsratspräsident der BaZ Holding, dementieren dies. «Die Zukunft wird zeigen, dass hinter dem Kauf keine politische Absicht steht», sagt Bollmann. Es seien auch keine personellen Veränderungen bei den 189 Mitarbeitern geplant. Vielmehr führt Bollmann finanzielle Argumente an: «Das lokale Gewerbe inseriert weiterhin. Es will in einem lokalen Printtitel inserieren», sagt der Medienmanager. Und betont: «Ich hoffe nicht, dass Sie mich für so dumm halten, dass ich ein erfolgreiches Geschäftsmodell kaputt politisieren würde.»
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Zeitungs-Landschaft
Millionen Haushalte erhalten regelmässig Post von der grössten Schweizer Partei — ob sie wollen oder nicht. Das Extrablatt der SVP landet seit 2012 im Schnitt mehr als einmal jährlich in den Briefkästen von Herrn und Frau Schweizer. In Zukunft werden rund 720'000 Haushalte deutlich regelmässiger ein von Christoph Blocher finanziertes Medienerzeugnis zugeschickt bekommen — so hoch ist die kombinierte Auflage der 25 Gratis-Wochenzeitungen des Ostschweizer Zehnder-Verlags. Dieser wurde gestern von der BaZ Holding übernommen, die zu einem Drittel Christoph Blocher gehört. Die anderen beiden Drittel gehören Verwaltungsratspräsident Rolf Bollmann sowie Markus Somm, dem Chefredaktor der «Basler Zeitung» (BaZ). Wie zu erfahren war, wurde die Übernahme durch Blochers Firma Robinvest finanziert.
Blocher erklärte in einer Mitteilung des Zehnder-Verlags, dass er mit der Übernahme keine politischen Ziele verfolge. Die Gratiszeitungen gehörten zu einem Segment, in dem die politische Berichterstattung nur einen kleinen Stellenwert habe. «Die Redaktionen sind unabhängig», betonte Blocher. Als neuer Chef des Zehnder-Verlags ist Rolf Bollmann vorgesehen. Dieser verneint im Gespräch mit dem TA eine politische Mission: «Wir verfolgen kein politisches Ziel.» Vielmehr argumentiert der Medienmanager ökonomisch. Die Nachfrage nach Inseraten sei in lokalen Zeitungen nach wie vor gross.
Mit der Übernahme könne auch die BaZ geschützt werden. Es sei zwar keine Querfinanzierung geplant, aber die Holding stehe dank der Übernahme neu auf einer breiteren Basis. Zum Kaufpreis machte Bollmann keine Angaben.
Laut Bollmann ist nicht vorgesehen, dass BaZ-Chefredaktor Somm in den Gratistiteln zu lesen sei. Man werde zwar versuchen, die Blätter qualitativ zu verbessern. «Aber wenn wir sie jetzt zu SVP-Kampfblättern oder SVP-Extrablättern umbauen würden, hätten wir ein Problem bei den Werbekunden.»
Ein Problem hat die BaZ derweil an ihrem Hauptsitz. Rund sieben Jahre sind vergangen, seit die Zeitung unter Chefredaktor Markus Somm einen stramm rechten Kurs verfolgt. Somm sagt zwar, die BaZ schreibe heute schwarze Zahlen. Die Zeitung ist aber dramatisch geschrumpft: 2010, als Somm sein Amt als Chefredaktor antrat, betrug die Auflage 83'000 Exemplare. Heute sind es noch rund 48'000. Und die von Somm und seinen Redaktoren herbeigeschriebene «bürgerliche Wende» in Basel-Stadt blieb auch nach den letzten Regierungswahlen im vergangenen Herbst aus. Der Stadtkanton ist weiterhin fest in rot-grüner Hand. Und Markus Somm selber? Der hat publizistisch ganz andere Ambitionen. Er möchte weg von der BaZ und bei einer Zeitung mit grösserer Ausstrahlung unterkommen. Das beweist sein gescheiterter Versuch, NZZ-Chefredaktor zu werden.
Auf Eis gelegt ist derweil das BaZ-Projekt einer nationalen Gratis-Sonntagszeitung. «Die Motivation ist derzeit nicht gross, diese Pläne weiterzuverfolgen», sagt Bollmann. Der Sonntagsmarkt sei dafür zu gesättigt, die Werbeeinnahmen gingen stark zurück.
Mit dem Kauf des Zehnder-Verlags nimmt Blocher einen eigentlichen Strategiewechsel vor: Die neuen Titel werden vor allem in ländlichen Gebieten und Agglomerationen der Ostschweiz und des Mittellands gelesen, während sich die BaZ an ein urbanes Publikum wendet. Damit eröffnet sich Blocher auf einem bisher politisch kaum beackerten Feld eine grosse Leserschaft.
Über weitere Übernahmepläne der BaZ kann nur spekuliert werden. Im Moment gibt es laut Bollmann keine – man entscheide aber «von Fall zu Fall», sagt der Medienmanager.
Auch wenn Blocher politische Absichten verneint, zeigt sich die Thurgauer SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher besorgt. Es sei zwar offen, in welche publizistische Richtung sich die Zeitungen entwickeln würden. «Wenn man will, kann man auch über lokale Veranstaltungen aus einer rechten Optik schreiben — oder Anlässe bewusst ignorieren.» Ähnlich sieht das die Zürcher CVP-Nationalrätin Kathy Riklin. Christoph Blocher verfolge mit dem Kauf der Lokalmedien eine klare Strategie. «In diesen Gratisblättern kann eine politische Meinung noch viel geschickter verbreitet werden», sagt sie. Neben lokalen Nachrichten und Veranstaltungsinfos könne diese subtil im Blatt platziert werden.
Christoph Blocher BaZ-Mitbesitzer |
Rolf Bollmann BaZ-VR-Präsident |
Christoph Blocher BaZ-Mitbesitzer |
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Rolf Bollmann BaZ-VR-Präsident |
Der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen beurteilt die Lage hingegen weit weniger dramatisch. «Soweit ich das beurteilen kann, handelt es sich bei den gekauften Gratistiteln um sehr lokale Zeitungen.» Solange die publizistische Unabhängigkeit ihrer Redaktionen gewahrt bleibe, gebe es keinen Grund, den Konsolidierungsprozess zu kritisieren. «Ich habe eher Angst davor, dass die Medien an den Staatstropf gehängt werden, als dass der eine oder andere Titel den Besitzer wechselt», sagt Wasserfallen. Wenn der Staat Gelder verteile, bestehe die Gefahr politischer Einflussnahme. Die Mediengewerkschaft Syndicom bezeichnete es schliesslich als «bedenklich, wenn ein Politiker und Milliardär in grossem Ausmass Medien kontrollieren kann».
Christoph Blocher BaZ-Mitbesitzer |
Rolf Bollmann BaZ-VR-Präsident |
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Umsatzmässig gehört Zehnder nicht zu den grossen Namen in der Schweizer Verlagsszene. Doch die Auflage ist stattlich: Insgesamt erreicht der Verlag mit seinen 25 Titeln 726'000 Leser, wobei die 2017 gestartete «Unterland Zeitung» noch nicht einmal eingerechnet ist. Der Zehnder-Verlag sei mit seinem Wochenzeitungs-Verbund durchaus relevant, sagt Manuel Puppis, Professor für Medienökonomie an der Universität Freiburg. Die Gratisanzeiger böten vor allem Information über das lokale Geschehen, Veranstaltungshinweise und Serviceseiten. «Ökonomisch gesehen, gibt es sicher grössere Akteure in der Presselandschaft, doch für das lokale Gewerbe sind die Zeitungen wichtige Werbeträger, um ihre Kundschaft zu erreichen.»
Der Verlag prägt die Regionalzeitungslandschaft seit Jahrzehnten. In der Branche wurde der langjährige Patron Rolf-Peter Zehnder oft als «König der Gratiszeitungen» bezeichnet, weil er Titel um Titel gründete. Unter seiner Ägide fuhren die Blätter einen rechtskonservativen Kurs. Sie waren zeitweise auch angehalten, Texte von «Verlagsredaktor» Charly Pichler abzudrucken, der die Redaktionen mit Kolumnen, Lebenshilfe («Doktor Eros», «Ratgeber») und auch reisserischen Politgeschichten belieferte. Für grosses Aufsehen sorgte die Geschichte über einen Asylbewerber («Mechmed Z. liebt unsere Gesetze»), der angeblich 6000 Franken pro Monat vom Staat kassierte. Der Fall, den die «Weltwoche» übernahm, trug Pichler eine Rüge des Presserats ein. Auch mit dem Antirassismus-Artikel kam der gebürtige Tiroler schon in Konflikt.
Im November 2015 gab der Verlag den Zeitungsdruck auf. Der Bereich verzeichne Überkapazitäten, gab der Verlag damals bekannt. Die Marktpreise seien unter enormem Druck. Seither werden die Zeitungen im Druckzentrum der Tamedia (die auch den TA herausgibt) hergestellt. Das Zeitungsgeschäft führt inzwischen Andreas Zehnder, der Sohn des Patrons. Rund 190 Angestellte hätten in den letzten Jahren «trotz stark rückläufigem Markt eine stabile Umsatzentwicklung erzielt», schrieb dieser gestern in einer Mitteilung. (fko/pak)
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Hat das Geschäft mit kostenlosen Wochenzeitungen eine Zukunft?
Der Kauf von Medien ist sicher in jedem Fall ein Wagnis. Strukturell haben Lokalblätter ähnliche Probleme wie die überregionalen Tageszeitungen. Auch im Lokalen ist vieles ins Netz abgewandert. Wir sehen europaweit aber, dass der Anteil der Werbung in gedruckter Form im Lokalbereich nach wie vor erheblich ist. Dies hat damit zu tun, dass die lokalen Märkte nah an den Menschen sind, überschaubar sind und sehr gezielt bearbeitet werden können — so mit Aktionen und Präsenz bei Veranstaltungen.
Dem Zehnder Verlag gehören diverse Wochenzeitungen, die kostenlos verteilt werden. Was lässt sich in Kombination mit der BaZ daraus machen?
Ich bin nicht sicher, ob es sinnvoll wäre, die Wochenzeitungen in der Ostschweiz mit Artikeln der «Basler Zeitung» zu füllen. Die Zeitungen erscheinen immerhin in wichtigen Städten der Schweiz wie Wil oder Schaffhausen. Dort will man sich nicht nebenbei mitversorgen lassen. Synergieeffekte dürften sich eher durch eine starke Formatierung der Zeitungen, die Übernahme von nicht aktuellen Themen oder beim Internetauftritt erzielen lassen. Der neue CEO hat im Internet ja Erfolge vorzuweisen — mal sehen, was dort Neues kommt.
Otfried Jarren Der Professor für Publizistikwissenschaft an der Universität Zürich ist auch Präsident der Eidgenössischen Medienkommission. |
Otfried Jarren Der Professor für Publizistikwissenschaft an der Universität Zürich ist auch Präsident der Eidgenössischen Medienkommission. |
Christoph Blocher sagt, er verfolge mit der Übernahme keine politischen Ziele. Glauben Sie das?
Wenn ein Politiker von Rang und mit nationalem Anspruch, der seit längerem sein Interesse an Medien bekundet, wieder einmal Zeitungen kauft, kann man davon ausgehen, dass ein politisches Interesse dahintersteht. Das ist ja auch nicht verboten.
Wie können die Zeitungen Blochers politischen Zielen dienen?
Die Zeitungen für Kampagnen wie jene gegen «fremde Richter» vor den Karren zu spannen, wäre etwas arg plump und könnte auch im eher konservativen Milieu polarisieren, in dem die Mehrheit der Leserschaft dieser Zeitungen wohl anzusiedeln ist. Die Lokalblätter dürften aber auch dazu dienen, sich ein Publikum zu erhalten, das eher nationale und traditionelle Werte vertritt. Auf lokaler Ebene schliesslich werden sie eher die konservativen politischen Kräfte und deren Interessen unterstützen. Das ist nicht unerheblich, da es sich um Orte einer gewissen Grösse handelt, über deren Geschehen sowohl die Medien der SRG als auch die überregionalen Zeitungen nicht in jenem Ausmass berichten, wie sie es verdient hätten. Gemeinde- oder Stadtpolitik ist der Beginn vieler nationaler politischer Karrieren.
Sehen Sie in der Übernahme ein Problem für die Medienvielfalt?
Es handelt sich hier nicht um einen Verlust von Titeln, wohl aber um eine Eigentümerkonzentration: Ein Eigentümer erhöht seinen publizistischen Einfluss im Markt und wohl auch in der Politik. Diese Form der Konzentration wird klassischerweise aus demokratietheoretischer Sicht als problematisch erachtet.
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