Die Axpo soll unter verstärkte politische Aufsicht kommen. Die Zürcher SP fordert eine interkantonale parlamentarische Aufsichtskommission, die dem Stromkonzern genau auf die Finger schauen kann. Vertreter der Zürcher SP versuchen derzeit, hinter den Kulissen Allianzen zu schmieden, und zwar in den Parlamenten der Nordostschweizer Kantone, in deren Besitz die Axpo ist.
Als Vorbild dient das Modell, das sich bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich (EKZ) bewährt hat: Eine Kommission, bestehend aus elf Zürcher Kantonsräten, prüft jährlich die Rechnung und den Geschäftsbericht. Zudem lässt sie sich von der EKZ-Spitze laufend über anstehende Geschäfte informieren. Auf diese Weise entstehe eine enge Bindung zwischen der Unternehmensführung und den Volksvertretern, sagt der Zürcher SP-Kantonsrat Roland Munz.
Expansion im Ausland
Die SP verspricht sich so mehr Transparenz und die Gewähr, dass ein Stromkonzern im Besitz der öffentlichen Hand seine Energiepolitik dem Volkswillen entsprechend gestaltet. Dies ist bei der Axpo nach Ansicht der SP nicht der Fall. Jüngstes Beispiel: das milliardenschwere Pipeline-Projekt, mit dem die Axpo Erdgas aus dem als korrupt geltenden Aserbeidschan über Griechenland nach Süditalien transportieren will. Nicht nur linke Parlamentarier sprechen von einem riskanten Geschäft, auch Bürgerliche äussern Zweifel.
Die Axpo demokratisieren will die SP mit einem neuen kantonalen Gesetz, über das jeder Besitzerkanton abstimmen müsste. Hiesse die Mehrheit der Kantone das Gesetz gut, träte es in Kraft. Widerstand zeichnet sich von bürgerlicher Seite ab, weshalb die SP in der Mitte Verbündete suchen muss.
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Seit über zehn Jahren entwickelt die Axpo das Erdgas-Pipelineprojekt Trans Adriatic Pipeline (TAP) — dies zusammen mit der norwegischen Statoil und der deutschen EON Ruhrgas. Mehr als 80 Millionen Franken hat der Stromkonzern bislang in das Vorhaben gesteckt. Die TAP soll von Griechenland über Albanien durch die Adria nach Italien verlaufen und bedeutende Erdgasreserven aus dem kaspischen Raum für Westeuropa erschliessen. Die Axpo und Statoil sind zu je 42,5 Prozent an der TAP beteiligt, EON hält 15 Prozent. Angesichts der veranschlagten Projektkosten von gegen 4 Milliarden Euro erwägt die Axpo, ihr Engagement an der TAP auf einen einstelligen Prozentsatz zu senken, wie Axpo-Chef Heinz Karrer jüngst in der «SonntagsZeitung» sagte. Er rechnet damit, nach der Reduktion des Axpo-Anteils für den Bau nur noch «mit einem zweistelligen Millionenbetrag am Eigenkapital» involviert zu sein. Gegenüber den Fördergesellschaften in Aserbeidschan ist die Axpo risikobehaftete Verpflichtungen eingegangen. Finden sie und ihre Partner keine Geldgeber, müssen sie die Baukosten selber aufbringen. Karrer rechnet für diesen Fall «mit einem tiefen dreistelligen Millionenbetrag», den die Axpo zusätzlich zahlen müsste. Trotzdem müsse die Axpo laut Karrer weder zusätzliches Geld aufnehmen noch ihr Eigenkapital erhöhen.
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Atomenergie spielt bei der Axpo eine wichtige Rolle: Das Axpo-Kraftwerk Beznau.
Foto: Alessandro Della Bella (Keystone)
Atomenergie spielt bei der Axpo eine wichtige Rolle: Das Axpo-Kraftwerk Beznau.
Foto: Alessandro Della Bella (Keystone)
Hinter den Kulissen laufen die Drähte heiss. Exponenten der Zürcher SP sondieren derzeit in den Kantonen Aargau, St. Gallen, Thurgau, Schaffhausen, Zug, Glarus sowie den beiden Appenzell die politische Gunst für ein altes Anliegen, das sie neu aufrollen wollen: die Axpo demokratisieren. Der Stromkonzern, der nebst Zürich den erwähnten Kantonen gehört, versorgt in der Nordost- und Zentralschweiz rund 3 Millionen Menschen und mehrere Tausend Industrie- und Gewerbebetriebe mit Energie. Als Volksvertreter sollen Parlamentarier der Besitzerkantone dem Stromkonzern künftig genauer auf die Finger schauen können. «Wir wollen an die Seite des Axpo-Verwaltungsrats eine interkantonale parlamentarische Aufsichtskommission stellen», sagt der Zürcher SP-Kantonsrat Roland Munz.
Ein ähnliches Modell kennen die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ), über die eine kantonsrätliche Aufsichtskommission wacht. Das 11-köpfige Gremium prüft alljährlich die Rechnung und den Geschäftsbericht und stellt dem Kantonsrat den Antrag, diese zu genehmigen. Zudem lässt es sich vom EKZ-Verwaltungsrat laufend über aktuelle und anstehende Geschäfte informieren und hat Einblick in die Sitzungsprotokolle des Verwaltungsrats. Auf diese Weise, so Munz, entstehe eine enge Bindung zwischen der EKZ-Spitze und der Politik.
Von einer parlamentarischen Oberaufsicht erhofft sich die SP mehr Transparenz und die Gewähr, dass die Axpo ihre Energiepolitik dem Volkswillen entsprechend gestaltet. Ihrer Einschätzung gemäss ist dies heute nicht der Fall. Die Strategie der Axpo legen nicht die Kantone als ihre Besitzer fest. Verantwortlich zeichnet der Verwaltungsrat — ein 13-köpfiges Gremium mit Regierungsräten aus den beteiligten Kantonen und Vertretern von Elektrizitätsunternehmen. In ihrem Stimmverhalten sind die Verwaltungsräte frei, was von linker Seite die Kritik provoziert, die Exekutivvertreter würden im Alleingang und hinter verschlossenen Türen die Energiepolitik des Stromkonzerns bestimmen. Eine Mandatierung der Regierungsräte durch das Parlament ist aus aktienrechtlichen Gründen nicht möglich.
«Riskantes Geschäft»
Nicht nur der atomfreundliche Kurs der Axpo ist politisch umstritten, sondern auch ihr Engagement im Ausland — ähnlich wie das Wirken der Zürcher Kantonalbank auf fremdem Terrain. Der Konflikt ist das Resultat von Interessen, die zunehmend auseinanderklaffen: Während die Kantone vorab ihre Stromversorgung sichern wollen, weitet die Axpo ihr Geschäftsfeld laufend aus. Jüngstes Beispiel: Die Nordostschweizer Kantone lassen sich via Axpo auf ein Milliardenprojekt mit Aserbeidschan ein, einem Staat, der im Korruptionsindex von Transparency International 2012 auf Platz 139 (von 176) liegt. Zusammen mit der norwegischen Statoil und der deutschen EON will Axpo die 870 Kilometer lange Pipeline TAP (Trans Adriatic Pipeline) bauen und so ab 2019 jährlich mindestens 10 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Aserbeidschan via Griechenland nach Süditalien transportieren. So will die Axpo ihre Gaskraftwerke in Italien kostengünstiger betreiben. Sie reagiert damit auf den Trend, dass der mächtige Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland und die billige Kohle die Rentabilität ihrer Gaskraftwerke sinken lassen. Zudem will die Axpo einen Teil des Gases in die Schweiz verkaufen. Des Weitern erhofft sie sich lukrative Geschäfte mit Staaten entlang der Pipeline; dazu gehören Bulgarien, Mazedonien, Albanien und Staaten, die aus dem ehemaligen Jugoslawien hervorgegangen sind.
Linke Parlamentarier sprevchen von einem riskanten Geschäft, weil die Baukosten aus dem Ruder laufen könnten und die vermehrte Förderung von Schiefergas die Preise in Europa ins Rutschen zu bringen droht. SP-Kantonsrat Munz zweifelt zudem daran, dass die Axpo vor Ort faire Arbeitsbedingungen und ein vorbildliches Umweltmanagement sicherstellen kann. Seine Skepsis ist zumindest im linken Lager weit verbreitet: 2011 war die Axpo nominiert für den Public Eye Award — eine zweifelhafte Auszeichnung. Denn damit brandmarken die Erklärung von Bern und Greenpeace alljährlich jene Konzerne, die sich ihrer Einschätzung gemäss besonders verantwortungslos gegenüber Mensch und Umwelt verhalten. Der damalige Vorwurf: Der Stromkonzern beziehe Uran aus der russischen Wiederaufbereitungsanlage in Majak, das neben Tschernobyl als verstrahltester Ort der Welt gelte. Diese Praxis habe die Axpo jahrelang verschleiert — was der Stromkonzern bestritt.
Neues kantonales Gesetz
Zweifel äussern auch Bürgerliche – zum Beispiel Andreas Glarner, Fraktionschef der SVP im Aargauer Kantonsparlament: Eine solche Pipeline zu bauen, gehöre nicht zum Kerngeschäft der Axpo. Anders als die SP hält es Glarner jedoch für falsch, den Einfluss der Politik zu stärken. Dass mit amtierenden und ehemaligen Regierungsräten keine ausgewiesenen Energiefachleute den Axpo-Verwaltungsrat prägten, sei aus unternehmerischer Sicht schon fragwürdig genug. «Völlig unvorstellbar» sei ein Beirat aus Parlamentariern. Auch andere Bürgerliche warnen davor, die Axpo den Begehrlichkeiten der Politik auszuliefern.
Die SP hingegen ist entschlossen, die Axpo zu demokratisieren. Dafür plant sie ein neues kantonales Gesetz, über das jeder Besitzerkanton abstimmen müsste. Hiesse die Mehrheit der Kantone das Gesetz gut, träte es in Kraft. Es entstünde so eine interkantonale Vereinbarung, die ein Konstrukt aus dem Jahr 1914 ablösen würde: den Gründungsvertrag der Nordostschweizerischen Kraftwerke (NOK), die seit 2009 unter dem Namen Axpo agieren. Der Vertrag ist eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung, der die Grundlage des Versorgungsauftrags bildet und die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragskantone regelt. Die SP sieht darin eine Art Schutzwall, hinter dem sich die Axpo vor dem Einfluss der Kantonsparlamente verschanzen kann.
Ob die anderen Parteien dem Ruf der SP nach mehr politischer Kontrolle folgen, ist schwierig abzuschätzen. Im Kanton Zürich scheiterten alle bisherigen Anstrengungen, der Axpo mehr parlamentarische Kontrolle aufzubürden, am Widerstand der Bürgerlichen. Und diese haben auch in den anderen NOK-Kantonen das Sagen. Die SP muss deshalb in der Mitte Verbündete suchen. Eine nicht repräsentative Umfrage des «Tages-Anzeigers» bei Parlamentariern aus CVP, BDP, GLP und EVP in den Axpo-Kantonen zeigt kein eindeutiges Bild.