Po­li­ti­ker wol­len mehr Ein­fluss auf den Strom­kon­zern Ax­po

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Ein ris­kan­tes Mil­li­ar­den­pro­jekt in Aser­beid­schan stösst auf Kri­tik — nicht nur bei der Lin­ken.

Von Stefan Häne
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Die Axpo soll un­ter ver­stärk­te po­li­ti­sche Auf­sicht kom­men. Die Zür­cher SP for­dert eine in­ter­kan­to­na­le par­la­men­ta­ri­sche Auf­sichts­kom­mis­si­on, die dem Strom­kon­zern ge­nau auf die Fin­ger schau­en kann. Ver­tre­ter der Zür­cher SP ver­su­chen der­zeit, hin­ter den Ku­lis­sen Al­li­an­zen zu schmie­den, und zwar in den Par­la­men­ten der Nord­ost­schwei­zer Kan­to­ne, in de­ren Be­sitz die Axpo ist.

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Als Vor­bild dient das Mo­dell, das sich bei den Elek­tri­zi­täts­wer­ken des Kan­tons Zü­rich (EKZ) be­währt hat: Eine Kom­mis­si­on, be­ste­hend aus elf Zür­cher Kan­tons­rä­ten, prüft jähr­lich die Rech­nung und den Ge­schäfts­be­richt. Zu­dem lässt sie sich von der EKZ-Spit­ze lau­fend über an­ste­hen­de Ge­schäf­te in­for­mie­ren. Auf die­se Wei­se ent­ste­he eine en­ge Bin­dung zwi­schen der Un­ter­neh­mens­füh­rung und den Volks­ver­tre­tern, sagt der Zür­cher SP-Kan­tons­rat Ro­land Munz.

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Ex­pan­si­on im Aus­land

Die SP ver­spricht sich so mehr Trans­pa­renz und die Ge­währ, dass ein Strom­kon­zern im Be­sitz der öf­fent­li­chen Hand sei­ne Ener­gie­po­li­tik dem Volks­wil­len ent­spre­chend ge­stal­tet. Dies ist bei der Axpo nach An­sicht der SP nicht der Fall. Jüng­stes Bei­spiel: das mil­li­ar­den­schwe­re Pi­pe­li­ne-Pro­jekt, mit dem die Axpo Erd­gas aus dem als kor­rupt gel­ten­den Aser­beid­schan über Grie­chen­land nach Süd­ita­li­en trans­por­tie­ren will. Nicht nur lin­ke Par­la­men­ta­ri­er spre­chen von einem ris­kan­ten Ge­schäft, auch Bür­ger­li­che äus­sern Zwei­fel.

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Die Axpo de­mo­kra­ti­sie­ren will die SP mit einem neu­en kan­to­na­len Ge­setz, über das je­der Be­sit­zer­kan­ton ab­stim­men müss­te. Hies­se die Mehr­heit der Kan­to­ne das Ge­setz gut, trä­te es in Kraft. Wi­der­stand zeich­net sich von bür­ger­li­cher Sei­te ab, wes­halb die SP in der Mit­te Ver­bün­de­te su­chen muss.

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Erd­gas-Pi­pe­li­ne

Ax­po will Ri­si­ken sen­ken

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(sth)

Seit über zehn Jahren ent­wic­kelt die Axpo das Erd­gas-Pi­pe­li­ne­pro­jekt Trans Ad­ria­tic Pi­pe­li­ne (TAP) — dies zu­sam­men mit der nor­we­gi­schen Stat­oil und der deut­schen EON Ruhr­gas. Mehr als 80 Mil­lio­nen Fran­ken hat der Strom­kon­zern bis­lang in das Vor­ha­ben ge­steckt. Die TAP soll von Grie­chen­land über Al­ba­ni­en durch die Ad­ria nach Ita­li­en ver­lau­fen und be­deu­ten­de Erd­gas­re­ser­ven aus dem kas­pi­schen Raum für West­euro­pa er­schlies­sen. Die Axpo und Stat­oil sind zu je 42,5 Pro­zent an der TAP be­tei­ligt, EON hält 15 Pro­zent. An­ge­sichts der ver­an­schlag­ten Pro­jekt­kos­ten von ge­gen 4 Mil­li­ar­den Euro er­wägt die Axpo, ihr En­ga­ge­ment an der TAP auf einen ein­stel­li­gen Pro­zent­satz zu sen­ken, wie Axpo-Chef Heinz Kar­rer jüngst in der «Sonn­tags­Zei­tung» TOP sag­te. Er rech­net da­mit, nach der Re­duk­ti­on des Axpo-An­teils für den Bau nur noch «mit einem zwei­stel­li­gen Mil­lio­nen­be­trag am Eigen­ka­pi­tal» in­vol­viert zu sein. Ge­gen­über den För­der­ge­sell­schaf­ten in Aser­beid­schan ist die Axpo ri­si­ko­be­haf­te­te Ver­pflich­tun­gen ein­ge­gan­gen. Fin­den sie und ihre Part­ner kei­ne Geld­ge­ber, müs­sen sie die Bau­kos­ten sel­ber auf­brin­gen. Kar­rer rech­net für die­sen Fall «mit einem tie­fen drei­stel­li­gen Mil­lio­nen­be­trag», den die Axpo zu­sätz­lich zah­len müss­te. Trotz­dem müs­se die Axpo laut Kar­rer we­der zu­sätz­li­ches Geld auf­neh­men noch ihr Eigen­ka­pi­tal er­hö­hen.

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Erd­gas-Pi­pe­li­ne

Ener­gie­po­li­tik nach dem Wil­len des Vol­kes

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Die Ax­po in­ve­stiert Mil­lio­nen in ein Erd­gas­pro­jekt im kor­rup­ten Aser­beid­schan. Nun son­diert die Zür­cher SP in den Be­sit­zer­kan­to­nen die Be­reit­schaft aus, dem Strom­kon­zern ge­nau­er auf die Fin­ger zu schau­en.

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Von Stefan Häne
Beznau

Atom­ener­gie spielt bei der Ax­po eine wich­ti­ge Rol­le: Das Ax­po-Kraft­werk Bez­nau.

Foto: Alessandro Della Bella (Keystone)

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Atom­ener­gie spielt bei der Ax­po eine wich­ti­ge Rol­le: Das Ax­po-Kraft­werk Bez­nau.

Foto: Alessandro Della Bella (Keystone)

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Hinter den Ku­lis­sen lau­fen die Dräh­te heiss. Ex­po­nen­ten der Zür­cher SP son­die­ren der­zeit in den Kan­to­nen Aar­gau, St. Gal­len, Thur­gau, Schaff­hau­sen, Zug, Gla­rus so­wie den bei­den Ap­pen­zell die po­li­ti­sche Gunst für ein al­tes An­lie­gen, das sie neu auf­rol­len wol­len: die Axpo de­mo­kra­ti­sie­ren. Der Strom­kon­zern, der nebst Zü­rich den er­wähn­ten Kan­to­nen ge­hört, ver­sorgt in der Nord­ost- und Zen­tral­schweiz rund 3 Mil­lio­nen Men­schen und meh­re­re Tau­send In­du­strie- und Ge­wer­be­be­trie­be mit Ener­gie. Als Volks­ver­tre­ter sol­len Par­la­men­ta­ri­er der Be­sit­zer­kan­to­ne dem Strom­kon­zern künf­tig ge­nau­er auf die Fin­ger schau­en kön­nen. «Wir wol­len an die Sei­te des Axpo-Ver­wal­tungs­rats eine in­ter­kan­to­na­le par­la­men­ta­ri­sche Auf­sichts­kom­mis­si­on stel­len», sagt der Zür­cher SP-Kan­tons­rat Ro­land Munz.

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Ein ähn­li­ches Mo­dell ken­nen die Elek­tri­zi­täts­wer­ke des Kan­tons Zü­rich (EKZ), über die eine kan­tons­rät­li­che Auf­sichts­kom­mis­si­on wacht. Das 11-köp­fi­ge Gre­mi­um prüft all­jähr­lich die Rech­nung und den Ge­schäfts­be­richt und stellt dem Kan­tons­rat den An­trag, die­se zu ge­neh­mi­gen. Zu­dem lässt es sich vom EKZ-Ver­wal­tungs­rat lau­fend über ak­tu­el­le und an­ste­hen­de Ge­schäf­te in­for­mie­ren und hat Ein­blick in die Sit­zungs­pro­to­kol­le des Ver­wal­tungs­rats. Auf die­se Wei­se, so Munz, ent­ste­he eine en­ge Bin­dung zwi­schen der EKZ-Spit­ze und der Po­li­tik.

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Von einer par­la­men­ta­ri­schen Ober­auf­sicht er­hofft sich die SP mehr Trans­pa­renz und die Ge­währ, dass die Axpo ihre Ener­gie­po­li­tik dem Volks­wil­len ent­spre­chend ge­stal­tet. Ih­rer Ein­schät­zung ge­mäss ist dies heu­te nicht der Fall. Die Stra­te­gie der Axpo le­gen nicht die Kan­to­ne als ih­re Be­sit­zer fest. Ver­ant­wort­lich zeich­net der Ver­wal­tungs­rat — ein 13-köp­fi­ges Gre­mi­um mit Re­gie­rungs­rä­ten aus den be­tei­lig­ten Kan­to­nen und Ver­tre­tern von Elek­tri­zi­täts­un­ter­neh­men. In ih­rem Stimm­ver­hal­ten sind die Ver­wal­tungs­rä­te frei, was von lin­ker Sei­te die Kri­tik pro­vo­ziert, die Exe­ku­tiv­ver­tre­ter wür­den im Al­lein­gang und hin­ter ver­schlos­se­nen Tü­ren die Ener­gie­po­li­tik des Strom­kon­zerns be­stim­men. Eine Man­da­tie­rung der Re­gie­rungs­rä­te durch das Par­la­ment ist aus ak­tien­recht­li­chen Grün­den nicht mög­lich.

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«Ris­kan­tes Ge­schäft»

Nicht nur der atom­freund­li­che Kurs der Axpo ist po­li­tisch um­strit­ten, son­dern auch ihr En­ga­ge­ment im Aus­land — ähn­lich wie das Wir­ken der Zür­cher Kan­to­nal­bank auf frem­dem Ter­rain. Der Kon­flikt ist das Re­sul­tat von In­ter­es­sen, die zu­neh­mend aus­ein­an­der­klaf­fen: Wäh­rend die Kan­to­ne vor­ab ih­re Strom­ver­sor­gung si­chern wol­len, wei­tet die Axpo ihr Ge­schäfts­feld lau­fend aus. Jüng­stes Bei­spiel: Die Nord­ost­schwei­zer Kan­to­ne las­sen sich via Axpo auf ein Mil­li­ar­den­pro­jekt mit Aser­beid­schan ein, einem Staat, der im Kor­rup­ti­ons­in­dex von Trans­pa­ren­cy In­ter­na­tio­nal 2012 auf Platz 139 (von 176) liegt. Zu­sam­men mit der nor­we­gi­schen Stat­oil und der deut­schen EON will Axpo die 870 Ki­lo­me­ter lan­ge Pi­pe­li­ne TAP (Trans Ad­ria­tic Pi­pe­li­ne) bau­en und so ab 2019 jähr­lich min­des­tens 10 Mil­li­ar­den Ku­bik­me­ter Erd­gas aus Aser­beid­schan via Grie­chen­land nach Süd­ita­li­en trans­por­tie­ren. So will die Axpo ih­re TOP Gas­kraft­wer­ke in Ita­li­en kos­ten­güns­ti­ger be­trei­ben. Sie re­agiert da­mit auf den Trend, dass der mäch­ti­ge Aus­bau der Er­neu­er­ba­ren in Deut­schland und die bil­li­ge Koh­le die Ren­ta­bi­li­tät ih­rer Gas­kraft­wer­ke sin­ken las­sen. Zu­dem will die Axpo einen Teil des Ga­ses in die Schweiz ver­kau­fen. Des Wei­tern er­hofft sie sich lu­kra­ti­ve Ge­schäf­te mit Staa­ten ent­lang der Pi­pe­li­ne; da­zu ge­hö­ren Bul­ga­ri­en, Ma­ze­do­ni­en, Al­ba­ni­en und Staa­ten, die aus dem ehe­ma­li­gen Ju­go­sla­wi­en her­vor­ge­gan­gen sind.

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Linke Par­la­men­ta­ri­er sprevchen von einem ris­kan­ten Ge­schäft, weil die Bau­kos­ten aus dem Ru­der lau­fen könn­ten und die ver­mehr­te För­de­rung von Schie­fer­gas die Prei­se in Euro­pa ins Rut­schen zu brin­gen droht. SP-Kan­tons­rat Munz zwei­felt zu­dem da­ran, dass die Axpo vor Ort fai­re Ar­beits­be­din­gun­gen und ein vor­bild­li­ches Um­welt­ma­na­ge­ment si­cher­stel­len kann. Sei­ne Skep­sis ist zu­min­dest im lin­ken La­ger weit ver­brei­tet: 2011 war die Axpo no­mi­niert für den Public Eye Award — eine zwei­fel­haf­te Aus­zeich­nung. Denn da­mit brand­mar­ken die Er­klä­rung von Bern und Green­pea­ce all­jähr­lich je­ne Kon­zer­ne, die sich ih­rer Ein­schät­zung ge­mäss be­son­ders ver­ant­wor­tungs­los ge­gen­über Mensch und Um­welt ver­hal­ten. Der da­ma­li­ge Vor­wurf: Der Strom­kon­zern be­zie­he Uran aus der rus­si­schen Wie­der­auf­be­rei­tungs­an­la­ge in Ma­jak, das ne­ben Tscher­no­byl als ver­strahl­tes­ter Ort der Welt gel­te. Die­se Pra­xis ha­be die Axpo jah­re­lang TOP ver­schlei­ert — was der Strom­kon­zern be­stritt.

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Neu­es kan­to­na­les Ge­setz

Zweifel äus­sern auch Bür­ger­li­che – zum Bei­spiel And­re­as Glar­ner, Frak­ti­ons­chef der SVP im Aar­gau­er Kan­tons­par­la­ment: Eine sol­che Pi­pe­li­ne zu bau­en, ge­hö­re nicht zum Kern­ge­schäft der Axpo. An­ders als die SP hält es Glar­ner je­doch für falsch, den Ein­fluss der Po­li­tik zu stär­ken. Dass mit am­tie­ren­den und ehe­ma­li­gen Re­gie­rungs­rä­ten kei­ne aus­ge­wie­se­nen Ener­gie­fach­leu­te den Axpo-Ver­wal­tungs­rat präg­ten, sei aus un­ter­neh­me­ri­scher Sicht schon frag­wür­dig ge­nug. «Völ­lig un­vor­stell­bar» sei ein Bei­rat aus Par­la­men­ta­ri­ern. Auch an­de­re Bür­ger­li­che war­nen da­vor, die Axpo den Be­gehr­lich­kei­ten der Po­li­tik aus­zu­lie­fern.

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Die SP hin­ge­gen ist ent­schlos­sen, die Axpo zu de­mo­kra­ti­sie­ren. Da­für plant sie ein neu­es kan­to­na­les Ge­setz, über das je­der Be­sit­zer­kan­ton ab­stim­men müss­te. Hies­se die Mehr­heit der Kan­to­ne das Ge­setz gut, trä­te es in Kraft. Es ent­stün­de so eine in­ter­kan­to­na­le Ver­ein­ba­rung, die ein Kon­strukt aus dem Jahr 1914 ab­lö­sen wür­de: den Grün­dungs­ver­trag der Nord­ost­schwei­ze­ri­schen Kraft­wer­ke (NOK), die seit 2009 un­ter dem Na­men Axpo agie­ren. Der Ver­trag ist eine öf­fent­lich-recht­li­che Ver­ein­ba­rung, der die Grund­la­ge des Ver­sor­gungs­auf­trags bil­det und die ge­gen­sei­ti­gen Rech­te und Pflich­ten der Ver­trags­kan­to­ne re­gelt. Die SP sieht da­rin eine Art Schutz­wall, hin­ter dem sich die Axpo vor dem Ein­fluss der Kan­tons­par­la­men­te ver­schan­zen kann.

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Ob die an­de­ren Par­tei­en dem Ruf der SP nach mehr po­li­ti­scher Kon­trol­le fol­gen, ist schwie­rig ab­zu­schät­zen. Im Kan­ton Zü­rich schei­ter­ten al­le bis­he­ri­gen An­stren­gun­gen, der Axpo mehr par­la­men­ta­ri­sche Kon­trolle auf­zu­bür­den, am Wi­der­stand der Bür­ger­li­chen. Und die­se ha­ben auch in den an­de­ren NOK-Kan­to­nen das Sa­gen. Die SP muss des­halb in der Mit­te Ver­bün­de­te su­chen. Eine nicht re­prä­sen­ta­ti­ve Um­fra­ge des «Ta­ges-An­zei­gers» bei Par­la­men­ta­ri­ern aus CVP, BDP, GLP und EVP in den Axpo-Kan­to­nen zeigt kein ein­deu­ti­ges Bild.