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Christoph Blocher: «Ziel ist eine ‹Basler Zeitung nackt›»

(SDA)

Er über­neh­me die Ri­si­ken bei der «Bas­ler Zei­tung» (BaZ), sag­te der SVP-Stra­te­ge Chris­toph Blo­cher im In­ter­view mit der «Sonn­tags­Zeitung». Nur sei die BaZ kei­ne Zei­tung, son­dern ein not­lei­den­der Misch­kon­zern mit mehr als 1'000 Mit­ar­bei­ten­den. Da­zu ge­hör­ten auch «nicht be­triebs­not­wen­di­ge» Lie­gen­schaf­ten, Druc­ke­rei­en, Bro­ker, Wer­be­ver­mitt­ler für Drit­te und vie­les mehr.

«Das Ziel ist eine ‹Bas­ler Zei­tung nackt›, nur mit Re­dak­ti­on und un­ab­hän­gi­gem Ver­lag», sag­te Blo­cher. Um die­ses Ziel zu er­rei­chen, tä­ti­ge er In­ves­ti­tio­nen in Im­mo­bi­li­en: Die Fir­ma sei der­zeit de­fi­zi­tär, we­nig li­qui­de und ha­be zu ho­he Schul­den. «Da­rum kau­fe ich ihr die be­triebs­wirt­schaft­lich nicht not­wen­di­gen Grund­stüc­ke ab.» Da­durch wer­de das Un­ter­neh­men die Bank­schul­den los und schrei­be einen klei­ne­ren Ver­lust, weil die ho­he Zins­last weg­fal­le.

Neues zur Zu­kunft der BaZ-Druc­ke­rei war von Chris­toph Blo­cher nicht zu er­fah­ren. Ein Ent­scheid da­zu fal­le erst im Früh­ling. Die Druc­ke­rei müs­se ent­we­der aus­ge­las­tet sein oder schlies­sen.

Chris­toph Blo­cher wird seit rund zwei­ein­halb Jah­ren als Strip­pen­zie­her bei der BaZ ver­mu­tet. Im Feb­ru­ar 2010 hat­te die Ver­le­ger­fami­lie Ha­ge­mann den Kon­zern an Ti­to Tet­ta­man­ti ver­kauft. Tet­ta­man­ti ver­kauf­te im No­vem­ber 2010 wei­ter an den frü­he­ren Cros­sair-Pat­ron Mo­ritz Su­ter. Die­ser gab ein gu­tes Jahr da­nach sei­ne Ak­ti­en an Ra­hel Blo­cher zu­rück — da­bei wur­de Blo­chers Mit­eigen­tum öf­fent­lich be­kannt.

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Ihr Dynamit ist nass geworden

*) ge­hal­ten am Frei­tag, 9.11., an einem Po­di­um der Me­di­en­viel­falt Hol­ding AG im Ho­tel Sa­voy, Zü­rich.
Eine Rede* zu Demokratie und Medien an die Adresse der «Basler Zeitung»-Aktionäre. Von Constantin Seibt
Widmer

Sehr ge­ehr­te Frau Prä­si­den­tin Ma­so­ni, Sehr ge­ehr­ter Herr Tet­ta­man­ti, Sehr ge­ehr­te Da­men und Her­ren.

Ich dan­ke Ih­nen für Ih­re Ein­la­dung. Es ist ein Pri­vi­leg, hier über Pres­se und De­mo­kra­tie nach­zu­den­ken. Nor­ma­ler­wei­se kommt man nicht da­zu. Man sitzt in sei­nem Bü­ro mit halb ge­leer­ten Eis­tee­fla­schen und halb fer­ti­gen Tex­ten und denkt nicht an De­mo­kra­tie.

Im Grun­de braucht es das auch nicht. Denn bei den spek­ta­ku­lä­re­ren Mo­men­ten des Schrei­bens – den Mo­men­ten der Er­kennt­nis, des Zorns, des Wit­zes – ist man ganz bei sich, und das ist gut so. Denn am stärk­sten ist Jour­na­lis­mus, wenn er so ein­fach wie mög­lich ist: Wenn er die Stim­me eines ein­zel­nen Men­schen ist, der sagt, was er ge­se­hen oder ge­dacht hat.

Der wich­tig­ste Mo­ment, in dem ich im All­tag an die Wir­kung, al­so das Pub­li­kum, al­so im wei­tes­ten Sin­ne an die De­mo­kra­tie den­ke, pas­siert in den still­sten, un­spek­ta­ku­lär­sten Tei­len des Tex­tes. Dort, wo ich un­auf­fäl­lig Er­klä­run­gen nach­schie­be, et­wa, was zum Teu­fel ein De­ri­vat ist oder wie sich eine Trans­ak­ti­on ge­nau ab­ge­spielt hat.

Ich fei­le oft am läng­sten an die­sen stil­len Pas­sa­gen, denn sie müs­sen klar und ge­nau sein, trotz al­ler Knapp­heit.

Denn das ist mei­ne wich­tig­ste Auf­ga­be als Jour­na­list, mein Ser­vi­ce an die Öf­fent­lich­keit: prä­zis die Grund­la­gen zu lie­fern, von de­nen aus dis­ku­tiert wer­den kann. Mein Job ist, eine kom­ple­xe Welt ver­ständ­lich zu ma­chen, oh­ne ih­re Kom­ple­xi­tät zu ver­ra­ten. Der Rest, nicht zu­letzt mei­ne Mei­nung, ist se­kun­där: Es ist der An­strich des Hau­ses, nicht sein Fun­da­ment.

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Immer gegen den Mainstream

Des­halb zweif­le ich auch an der Art Jour­na­lis­mus, den Sie als Ver­ein för­dern. So­wohl hand­werk­lich als auch, ob die­ser die De­mo­kra­tie stützt. Ih­re Me­di­en­viel­falt Hol­ding AG hat bis­her in ähn­li­cher Be­set­zung zwei Blät­ter neu lan­ciert: die «Welt­wo­che» und die «Bas­ler Zei­tung». Bei­de mit Herrn Tet­ta­man­ti als Haupt­ak­tio­när, Herrn Mat­ter als Ban­ker, Herrn Wag­ner als An­walt, Herrn Leu­ten­eg­ger als Ver­lags­chef. Und mit Herrn Blo­cher als Haupt­ge­sprächs­part­ner des Chef­re­dak­tors.

Ih­re Zei­tun­gen sol­len, wie Ihr Ver­ein im Na­men schon sagt, die Me­di­en- und die Mei­nungs­viel­falt för­dern. Da­zu, wie man liest, wol­len Sie Trans­pa­renz schaf­fen und Denk­bloc­ka­den ab­bau­en. Doch mit wel­chen Mit­teln tun Sie das?

Nun, wenn man die «Welt­wo­che» an­sieht, so ist de­ren tech­ni­scher Haupt­trick, das Ge­gen­teil vom so­ge­nann­ten Main­stream zu schrei­ben. Das er­scheint zu­nächst als gu­te Idee: Das Ge­gen­teil der all­ge­mei­nen Ge­dan­ken ist oft ein in­spi­rie­ren­der Ge­dan­ke. Die Fra­ge ist nur, ob es auf lan­ge Sicht eine klu­ge Stra­te­gie ist.

Ich glaube das nicht, aus fol­gen­den Grün­den:

  1. Zu­nächst ist schon die An­nah­me selt­sam, dass der Main­stream im­mer falsch liegt. Noch selt­sa­mer ist die An­nah­me, dass er im­mer ge­nau falsch liegt: um 180 Grad, so wie eine Kom­pass­na­del, die stets nach Sü­den zeigt.
  2. Am An­fang kann man mit An­ti-Main­stream die Leu­te ver­blüf­fen, är­gern, viel­leicht so­gar zum Den­ken brin­gen. Aber ziem­lich bald ist die­se Stra­te­gie nichts als ne­ga­ti­ver Op­por­tu­nis­mus: Man sagt stets das Ge­gen­teil des ver­mu­te­ten Kon­sen­ses. Und ist da­durch im Kopf vom Main­stream ge­nau­so ab­hän­gig wie sonst nur der mo­disch­ste Mensch.
  3. Die Themen­wahl eines sol­chen Blat­tes wird ex­trem be­re­chen­bar: Die es­ka­lie­ren­de Fi­nanz­kri­se — exi­stiert nicht; Fu­ku­shi­ma – war kei­ne Ka­ta­stro­phe; Ber­lu­sco­ni und Pu­tin — sind eh­ren­wer­te Män­ner; das Welt­kli­ma – kühlt sich ab; Frau­en — sind das re­gie­ren­de Ge­schlecht; Ra­dio­ak­ti­vi­tät — ist ge­sund.
  4. Die Folge: Sie wer­den un­glaub­wür­dig. Zwar wä­ren vie­le The­sen – et­wa dass Ra­dio­ak­ti­vi­tät ge­sund, Bun­des­rä­tin Wid­mer-Schlumpf eine Lan­des­ver­rä­te­rin oder der Kli­ma­wan­del eine Mas­sen­ver­blen­dung von Tau­sen­den Ex­per­ten ist — in­ter­es­sant. Aber da­durch, dass gar nichts an­de­res in dem Blatt ste­hen kann – al­so kein po­si­ti­ves Wort über Wid­mer-Schlumpf, nicht, dass Fu­ku­shi­ma doch eine Ka­ta­stro­phe war —, ist ihr Dy­na­mit nass ge­wor­den: Man hat nun bei je­der The­se in der «Welt­wo­che» das Ge­fühl, man müs­se sie erst per­sön­lich nach­re­cher­chie­ren. Und da­zu fehlt einem die Zeit.
  5. Das auch, weil das Blatt durch sei­ne Be­re­chen­bar­keit längst kaum mehr au­fregt. Es lang­weilt. Es lang­weilt im­mer mehr.

Um die «Welt­wo­che» über­haupt le­sen zu kön­nen, muss man ihr al­so glau­ben. Durch ih­re Stra­te­gie des kon­stan­ten An­ti-Main­streams ist die gan­ze Zei­tung zur Glau­bens­fra­ge ge­wor­den: Man glaubt ihr al­les oder nichts. Doch mit die­sem Sprung vom In­for­ma­ti­ons­me­di­um zur Glau­bens­sa­che ver­kör­pert sie nicht nur das Ge­gen­teil von Kri­tik. Son­dern ist auch das Ge­gen­teil von Ser­vi­ce für die De­mo­kra­tie.

Sie ris­kie­ren mehr als Geld: Sie ris­kie­ren Rea­li­täts­ver­lust.
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Der Bau von Paral­lel­uni­ver­sen

Denn die Auf­ga­be der Pres­se ist ja, mal recht, mal schlecht, einen Main­stream her­zu­stel­len: eine holp­ri­ge, va­ge, aber den­noch brauch­ba­re Eini­gung über Fak­ten und Ein­schät­zun­gen, auf­grund de­ren man de­bat­tie­ren kann.

Wenn aber nun mit Main­stream und Anti-Main­stream zwei Pa­ral­lel­uni­ver­sen mit je eige­nen Fak­ten und Lo­gi­ken be­ste­hen, ist das ein Scha­den für die De­mo­kra­tie. Dann gibt es kei­ne Ge­mein­sam­kei­ten, kei­ne Grund­la­gen mehr, son­dern nur noch Mei­nun­gen. Und An­hän­ger da­von. Al­so zwei La­ger, die nicht ver­schie­de­ne An­sich­ten, son­dern ver­schie­de­ne Wirk­lich­kei­ten ha­ben.

Es ist kein Wun­der, dass die «Welt­wo­che» die­ses La­ger­den­ken im­mer stär­ker be­tont: Es gibt nur noch wir und ihr. Kein Wun­der, schlei­chen sich pa­ra­no­i­de Zü­ge in ih­re Welt­sicht ein: et­wa, wenn sie ernst­haft be­haup­tet, die seit mehr als 150 Jah­ren bür­ger­li­che Schweiz wer­de in Wahr­heit von ge­tarn­ten So­zia­lis­ten re­giert. Und ty­pi­sch wie für je­des La­ger­den­ken ist ih­re zu­neh­men­de Po­li­zei­men­ta­li­tät: Po­li­ti­ker, Pub­li­zis­ten, Pro­fes­so­ren er­schei­nen auf Fahn­dungs­pla­kat-Ti­tel­blät­tern als Irr­leh­rer oder Lan­des­ver­rä­ter.

Zwar wird — we­gen ih­rer Be­re­chen­bar­keit — die Kraft der «Welt­wo­che», The­men durch­zu­set­zen, zu­neh­mend klei­ner. Nichts, was sie schreibt, über­rascht mehr. Aber ihr Droh­po­ten­zi­al ist in­takt: Schon we­gen des en­gen Bünd­nis­ses mit dem reichs­ten Po­li­ti­ker des Lan­des wird die «Welt­wo­che» ge­fürch­tet. Das nicht zu­letzt in der Par­tei von Chris­toph Blo­cher selbst.

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Inves­tie­ren in Rea­li­täts­ver­lust

Der Auf­bau einer Pa­ral­lel­welt ist aber auch ge­fähr­lich für Sie, mei­ne Da­men und Her­ren. Für al­le, die an die «Welt­wo­che» glau­ben. Das gros­se Vor­bild für al­le Me­di­en, die vor al­lem po­li­ti­schen Ein­fluss su­chen, ist Fox News. Fox hat den Durch­bruch ge­schafft: Die Re­pub­li­ka­ni­sche Par­tei der USA hat mit der Speer­spit­ze Fox ein eige­nes, ge­schlos­se­nes Me­di­en­sys­tem aus Ra­dio­shows, Ma­ga­zi­nen und Blogs er­rich­tet. Und da­mit ih­re eige­ne Wahr­heit, ih­re eige­nen Fak­ten, ihr eige­nes Uni­ver­sum. Und hat sich da­durch zu­neh­mend ra­di­ka­li­siert. So ra­di­ka­li­siert, dass nicht nur die Po­li­tik des gan­zen Lan­des durch zwei Wirk­lich­kei­ten ge­lähmt ist. Son­dern auch die re­pub­li­ka­ni­sche Par­tei sich selbst sa­bo­tiert: Bei der jüngs­ten Wahl sorg­ten et­wa vier Mil­li­ar­dä­re im Bünd­nis mit ul­tra­kon­ser­va­ti­ven Fox-Mo­de­ra­to­ren da­für, dass in den Vor­wah­len die ra­di­ka­len Kon­kur­ren­ten von Mitt Rom­ney fast bis zum Schluss im Ren­nen blie­ben. Und ihn weit in ih­re Pa­ral­lel­welt nach Rechts trie­ben. Ob­wohl Wah­len in der Mit­te ge­won­nen wer­den.

Am En­de glaub­te der un­glück­li­che Kan­di­dat Rom­ney selbst an die Fox­Welt: Wie man jetzt liest, glaub­te er tat­säch­lich, dass sämt­li­che Zah­len von neu­tra­len Um­fra­ge­ins­ti­tu­ten falsch sei­en. Al­so dass in Wahr­heit er weit vor­ne lie­ge, weil al­le aus­ser den par­tei­eige­nen Spe­zia­lis­ten und den Fox-Ex­per­ten sich irr­ten. Da­rauf bau­te Rom­ney dann eine voll­kom­men fal­sche Kam­pa­gnen­tak­tik. Die Nie­der­la­ge traf den Kan­di­da­ten, sein Team, sei­ne Geld­ge­ber, die gan­ze Par­tei dann völ­lig un­er­war­tet. Das Pa­ral­lel­uni­ver­sum zer­schell­te an der Wirk­lich­keit.

Sie, mei­ne Da­men und Her­ren, ris­kie­ren al­so als In­ves­to­ren in eine me­dia­le Ge­gen­welt mehr als nur viel Geld: den Rea­li­täts­ver­lust.

Denn die Denk­ver­bote sind heu­te längst auf Ih­rer Sei­te. Et­wa wenn Ro­ger Köp­pel sagt:

«Die Wirt­schaft wird durch den Wett­be­werb kon­trol­liert. Als Jour­na­list kann ich mir nicht an­mas­sen, Un­ter­neh­men oder das Ma­na­ge­ment zu kri­ti­sie­ren. Kri­ti­sche Un­ter­neh­mens­be­richt­er­stat­tung ist nicht Sa­che des Jour­na­lis­mus.»

Wenn ein Pro­fi-Be­obach­ter die hal­be Welt aus der Kri­tik, ja über­haupt aus dem Blick aus­schliesst, dann soll­ten Sie ge­warnt sein: So et­was ist die Hal­tung eines Ideo­lo­gen.

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Die Haupt­prob­leme der BaZ

Damit zu Ih­rem ak­tu­el­len Pro­jekt, der «Bas­ler Zei­tung». Es ist un­schwer zu er­ken­nen, dass Sie da­mit ver­su­chen, das Pro­jekt «Welt­wo­che» zu ko­pie­ren, «die ja schon das Rich­ti­ge tut», wie Ihr Haupt­ak­tio­när Ti­to Tet­ta­man­ti sagt.

Und tat­säch­lich läuft al­les wie­der gleich ab: Sie ha­ben Köp­pels lang­jäh­ri­ge Num­mer zwei als Chef­re­dak­tor ein­ge­setzt, wie in der ers­ten Zeit nach der Macht­über­nah­me Köp­pels gibt es Ver­wir­rung und Pro­test über­all, der neue Chef be­schwört — wie einst Köp­pel – den «Plu­ra­lis­mus»: und zwar mit dem­sel­ben Kon­zept von Plu­ra­lis­mus als Po­le­mik von bei­den Sei­ten. In der Pra­xis heisst das: Eini­ge lin­ke Alt-Po­li­ti­ker schrei­ben Fei­gen­blatt-Ko­lum­nen, wäh­rend wie da­mals bei der «Welt­wo­che» meh­re­re Säu­be­rungs­wel­len durch die Zei­tung ja­gen. Die al­ten Re­dak­to­ren ge­hen — li­ni­en­treu­es Per­so­nal kommt.

Die Fra­ge bleibt, wie Sie hier Ih­re gros­sen Zie­le Viel­falt, Trans­pa­renz, Plu­ra­lis­mus ver­wirk­li­chen wol­len. Sie ha­ben min­des­tens zwei Prob­le­me:

  1. Ihr Chef­re­dak­tor, Mar­kus Somm, ist ein Mann, der sein hal­bes Le­ben lang sämt­li­che Leu­te als zu we­nig links kri­ti­sier­te. Heu­te kri­ti­siert er sie als zu we­nig rechts. Die­ser Mann ist im Kern kein Jour­na­list. Er ist nicht ein­mal ein po­li­ti­scher Mensch. Denn sein Stand­punkt ist im­mer – links wie rechts – jen­seits des po­li­tisch Mög­li­chen. Sie ha­ben als Boss einen Pre­di­ger ge­wählt.
  2. Sie, mei­ne Da­men und Her­ren, ste­hen selbst im Ver­dacht, Ma­rio­net­ten zu sein. Neh­men wir die be­rühm­te Vor­ge­schich­te Ih­rer Über­nah­me der «Bas­ler Zei­tung»: Ein Par­tei­füh­rer und Mil­li­ar­där lässt im Ge­hei­men sei­ne Toch­ter eine Zei­tung kau­fen und schiebt ge­gen­über der Öf­fent­lich­keit einen Flug­un­ter­neh­mer als Be­sit­zer vor und ge­gen­über den Ban­ken den ehe­ma­li­gen Chef einer Gross­bank. Und all das, um sei­nen Bio­gra­fen als Chef­re­dak­tor ein­zu­set­zen. Das ist eine Ge­schich­te, die klingt wie aus Russ­land. So et­was tun Oli­gar­chen.

Zwar be­haup­ten Sie, Herr Blo­cher ha­be in Ih­rer Hol­ding nichts mehr zu sa­gen. Er wür­de nur noch das De­fi­zit dec­ken. Was ich nicht ver­ste­he, ist: Wa­rum ha­ben Sie dann den ge­sam­ten Jass­tisch eines der bei­den Stroh­män­ner, des Ex-UBS-Chefs Mar­cel Os­pel, in den Ver­wal­tungs­rat ge­holt, wenn Ih­nen Ihr Ruf als Un­ab­hän­gi­ge lieb ist?

Kein Wun­der, ha­ben Sie mit Ih­rer Zei­tung furcht­ba­re Prob­le­me: Die Auf­la­ge hat ein Vier­tel ver­lo­ren, Herr Blo­cher hat be­reits 20 Mil­lio­nen ein­ge­schos­sen und fun­giert — wie erst letz­te Wo­che in der «NZZ am Sonn­tag» — als Un­ter­neh­mens­spre­cher, der die Stra­te­gie — eine «nack­te Zei­tung oh­ne Druc­ke­rei» — be­kannt gibt. Und der po­li­ti­sche Er­folg hält sich auch in Gren­zen: Nach einer mo­na­te­lan­gen Kri­mi­na­li­täts­kam­pa­gne in der «Bas­ler Zei­tung» wur­de kein Ein­zi­ger der Po­li­ti­ker, die in der BaZ da­rauf ein­stie­gen, in die Re­gie­rung ge­wählt; und im Par­la­ment ge­wann die SVP nur einen ein­zi­gen Sitz da­zu.

Die­se Rech­nung ist so­gar für einen Mil­li­ar­där teu­er: 20 Mil­lio­nen für einen Sitz in einem Re­gio­nal­par­la­ment.

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Drei Rat­schläge

Was al­so soll­ten Sie tun?

  • Wenn Ih­nen tat­säch­lich eine rechts­kon­ser­va­ti­ve Pa­ral­lel­welt am Her­zen liegt, dann de­kla­rie­ren Sie die «Bas­ler Zei­tung» of­fen als Par­tei­blatt. Es gibt enorm Kraft, nicht mehr dau­ernd Ver­stec­ken spie­len zu müs­sen.
  • Wenn Ih­nen hin­ge­gen die Pres­se­viel­falt am Her­zen liegt, dann schaf­fen Sie mit Ih­rem Geld, statt es in Ba­sel zu ver­bren­nen, eine Stif­tung, die kri­ti­schen Jour­na­lis­mus un­ter­stützt. Mei­net­we­gen auch nur kon­ser­va­ti­ven. Denn die Uni­for­mi­tät in eini­gen Tei­len der Pres­se geht nicht auf Denk­ver­bo­te oder Ideo­lo­gie zu­rück, son­dern meist auf Zeit-, al­so auf Geld­man­gel.
  • Wenn Ih­nen aber po­li­ti­sche Zie­le wie De­re­gu­lie­rung, Stär­kung der Ban­ken, so­wie Ein­fluss von fi­nanz­kräf­ti­gen In­di­vi­du­en am Herz lie­gen, so tun sie am al­ler­bes­ten: gar nichts. Denn die Er­fah­rung zeigt: Je schlech­ter die Leu­te in­for­miert sind, des­to mäch­ti­ger sind die be­reits Mäch­ti­gen. Und bei der ge­gen­wär­ti­gen Schrum­pfung der Pres­se re­gelt Ihr An­lie­gen da­bei tat­säch­lich am bes­ten der, der an­geb­lich al­les re­gelt: der Markt.

Ich dan­ke Ih­nen sehr für Ih­re Ein­la­dung. Einen Kri­ti­ker ein­zu­la­den, be­weist zu­min­dest Neu­gier. Des­halb be­dau­re ich sehr, Ih­nen sa­gen zu müs­sen, dass ich für Ihr Pro­jekt, so wie es ist, kei­ne Chan­ce auf Er­folg se­he: nicht pub­li­zis­tisch, nicht fi­nan­zi­ell, nicht po­li­tisch. Und dass ich auch zweif­le, ob ein Er­folg Ih­res Pro­jekts — für die Pres­se wie für die De­mo­kra­tie — über­haupt wünsch­bar wä­re.



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BaZ zu Tettamanti 15.12.2011
Landbote zu Tettamanti 22.04.2013
Kritik an Führung 16.12.2011
Blocher beschimpft FDP SonntagsZeitung 18.12.2011
Christoph Blocher — der Profi — über die Leistung von Blocher und Ebner 24.12.2011
Original Seiten als PDF: Christoph Blocher — der Profi 24.12.2011     Leserbriefe vom 28.12.2011
Blocher greift Nationalbank an mit gestohlenen Bankdaten: SonntagsZeitung 1.1.2012