Heute Medien
Blochers ziehen sich aus der «Basler Zeitung» zurück
Von René Staubli, Zürich
Die «Basler Zeitung» (BaZ) wechselt erneut den Besitzer: Sie
gehört seit gestern der neu gegründeten Medienvielfalt Holding des
Financiers Tito Tettamanti, der die BaZ bereits ab Februar 2010 für
mehrere Monate mitbesass. Damit endet das Engagement der Familie Blocher
bei der Zeitung. Christoph Blocher leistet aber eine Defizitgarantie,
die laut Tettamanti finanziell unlimitiert ist.
* * *
Tettamanti nimmt neuen Anlauf
Der Tessiner Financier kauft die BaZ zum zweiten Mal nach 2010.
FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger soll die Gruppe sanieren. Für
Verluste haftet laut Tettamanti Christoph Blocher in unbegrenzter Höhe.
Von René Staubli, Zürich
Sanierer Filippo Leutenegger (rechts) hat
vom neuen BaZ-Eigentümer Tito Tettamanti eine Carte blanche erhalten.
Foto: Alessandro Della Bella (Keystone)
Das Unternehmen Basler Zeitung Medien (BaZ) hat einen neuen,
alten Besitzer: Der Tessiner Unternehmer und Financier Tito Tettamanti,
81, erwirbt die Gruppe erneut, diesmal mit seiner neu gegründeten Zuger
Medienvielfalt Holding, die er mehrheitlich kontrolliert (siehe Kasten).
Die bisherigen BaZ-Aktionäre und -Verwaltungsräte haben ihren Platz
geräumt — auch die verkappten bisherigen Eigentümer Christoph Blocher
und seine Tochter Rahel. Dies wurde gestern an einer Medienkonferenz in
Zürich bekannt.
Laut Tettamanti besteht die einzige Funktion Blochers bei der BaZ
Holding noch darin, dass er die im Druckbereich anfallenden
Sanierungskosten «in unbegrenzter Höhe übernimmt». Diese Garantie sei
nicht neu; Blocher habe sie schon früher abgegeben. Auf die Frage,
welche Gegenleistung er für Blocher erbringe, sagte Tettamanti: «Die
Gegenleistung besteht darin, dass ich die BaZ zusammen mit 16 weiteren
Aktionären übernehme.» Mit der Zeitung habe Blocher nichts mehr zu tun.
Er sei auch nicht Aktionär der Medienvielfalt Holding. Die BaZ bleibe
eine Zeitung für den Grossraum Basel.
Die Sanierung soll der Medienunternehmer und FDP-Nationalrat
Filippo Leutenegger durchführen, der zugleich VR-Präsident und
-Delegierter der BaZ Holding wird. Er gibt sich für den Job drei bis
vier Jahre Zeit. Es sei keine einfache Aufgabe, die Zukunft und
Unabhängigkeit der Gruppe zu sichern. Zu den grösseren Problemen zählt
Leutenegger die Überkapazitäten im Druckbereich: «Wir machen nun eine
Auslegeordnung und wollen dann rasch über die nötigen Schritte
entscheiden.»
Rückkehr mit Leidenschaft
Der neue BaZ-Verwaltunsrat
Basler dominieren das Gremium
(mka/ar/res)
Filippo Leutenegger, Präsident/Del. Ehemaliger
Chefredaktor des Schweizer Fernsehens und Geschäftsführer des
Jean-Frey-Verlags. Heute FDP-Nationalrat und selbstständiger
Medienunternehmer.
Peter Wyss Der stadtbekannte Wirt führte während fast 25
Jahren das Traditionslokal Kunsthalle. Nun wird er Pächter im
Schützenhaus. Jasspartner von Ex-UBS-Präsident Marcel Ospel.
Hans Rudolf Gysin Der Baselbieter sass für die FDP 24
Jahre im Nationalrat und war als Direktor der Wirtschaftskammer einer
der wichtigsten Strippenzieher in der Baselbieter Politik.
Adriana Ospel-Bodmer Die Zürcherin ist seit über fünf
Jahren mit Marcel Ospel verheiratet. Mit 27 Jahren gründete sie ihre
eigene Beratungsfirma, die sie immer noch führt.
Karl Schweizer Der Anwalt sitzt für die SVP im
Einwohnerrat von Riehen BS. Er kandidierte erfolglos für den
Nationalrat. Beriet UBS-Kunden in Kunstfragen. Jasspartner von Marcel
Ospel.
Urs Gribi Der Baselbieter besitzt eine der grössten
Immobilienfirmen der Region. Im VR einer weiteren Immobilienfirma mit
Adriana Ospel. Jasspartner von Marcel Ospel.
VR Medienvielfalt Holding
Rechte Gesinnung
(res)
Marina Masoni, Präsidentin Rechtsanwältin aus Lugano.
Ehemalige Tessiner FDP-Staatsrätin (Finanz- und
Volkswirtschaftsdirektion). Einst als künftige Bundesrätin gehandelt,
2007 aber wegen einer Steueraffäre abgewählt. Nicht mehr aktiv in der
Parteipolitik.
Georges Bindschedler Rechtsanwalt. Bis 2003 VR-Vize der
Espace Media Groupe AG (heute Tamedia). Zusammen mit Konrad Hummler
(NZZ-Präsident) und Gerhard Schwarz (Avenir Suisse) in der Gesellschaft
Schweizer Monatshefte.
Filippo Leutenegger Neuer Präsident und Delegierter der
BaZ Holding. FDP-Nationalrat; im Komitee zur Wahl von Christoph Blocher
in den Ständerat. Direkter Draht zu Tito Tettamanti, dem
Mehrheitsbesitzer der Medienvielfalt Holding.
Robert Nef Buchautor und Präsident des Stiftungsrats des
Liberalen Instituts Zürich. Dessen Philosophie lautet: Der Liberalismus
wurzle «in der Skepsis gegenüber der Macht, dem Zwang, und damit auch
dem Staat».
Uli Windisch Professor an der Universität Genf
(Soziologie, Kommunikation, Medien). Stiess intern auf Widerstand, als
er die Asylpolitik der SVP rechtfertigte und Blocher als Retter
bürgerlicher und patriotischer Werte pries.
Medienvielfalt Holding
Debatte über Gesellschaftsmodelle
Von René Staubli
Die Holding mit Sitz in Zug will den «journalistischen Mainstream» bekämpfen.
Europa und die Welt stehen laut Tito Tettamanti vor grossen
Problemen: «Arbeitslosigkeit, Bankenkrise, Krise der Demokratie.» In
dieser Situation brauche es eine kritische Debatte über neue
Gesellschaftsmodelle. Die heutige «Kultur der Political Correctness»
verhindere solche Debatten. In einer intakten Medienlandschaft brauche
es «verschiedene Orchester, die verschiedene Melodien spielen».
Deshalb trägt Tettamanti heute Donnerstag in Zug die
Medienvielfalt Holding AG ins Handelsregister ein. Am Aktienkapital von
40 Millionen Franken ist der Tessiner mit 18,8 Prozent beteiligt. Er
kontrolliert die Holding mit 53,6 Prozent der Stimmrechte. Zweitgrösster
Aktionär mit 12,5 Prozent am Kapital ist Georges Bindschedler (siehe
Kasten).
Weitere 6 Aktionäre besitzen zwischen 5 und 10 Prozent des
Aktienkapitals: Andreas Eichenberger und Urs Gribi (Binningen), Ralf
Klingler (Flawil), Adriana Ospel-Bodmer (Wollerau), Daniel Riediker
(Pfäffikon SZ) und Giangiorgio Spiess (Lugano). Tettamanti sagte
gestern, es handle sich samt und sonders um Liberale, welche sich «für
den Erhalt eines intelligenten und vielfältigen Medien- und
Meinungsspektrums in der Schweiz einsetzen».
Dass es in der Holding tatsächlich Platz für Querdenker gibt,
zeigt sich am Beispiel des Industriellen Daniel Model, der zu den
Aktionären mit weniger als 5 Prozent Kapitalanteil gehört. Er hat den
Sozialstaat satt und propagiert als Alternative sein eigenes Reich
Avalon im Kanton Thurgau. In Müllheim lässt er ein Regierungsgebäude
errichten.
Die Medienvielfalt Holding will sich an Medien und
Medienunternehmen beteiligen. Die BaZ ist das erste Investitionsobjekt;
dazu kommt ein namhaftes Engagement bei der Multimedia-Plattform
“Les Observateurs.ch”
des Genfer Uniprofessors Uli Windisch. Schliesslich will die Holding
«den medienkritischen Diskurs fördern» und sich «an nationalen und
internationalen publizistischen Institutionen beteiligen».
Weil einige wenige Medienkonzerne den Schweizer Markt
dominierten, werde die Meinungsvielfalt zunehmend eingeschränkt, und es
werde zu wenig recherchiert, sagt Tettamanti. Gerade in den aktuell
schwierigen Zeiten sei «der offene Wettstreit der Ideen, die Suche nach
der Wahrheit anstelle des Verkündens vorgefasster Meinungen von grösster
Bedeutung».
Beim ersten Mal hatte Tettamanti die BaZ zusammen mit dem Basler
Medienanwalt Martin Wagner gekauft. Als Chefredaktor setzten die beiden
Anfang 2010 den Blocher-Biografen Markus Somm ein, der die Redaktion
reorganisierte und ihr einen rechtsliberalen Kurs verschrieb. Dies
führte zu Abgängen und zur Gründung der Konkurrenzzeitung «Tageswoche»,
welche von der Roche Erbin Beatrice Oeri finanziert wird.
Was die industriellen Aktivitäten der BaZ-Gruppe anbelangte,
hatte Blocher ein verdecktes Beratungsmandat, welches er nach
öffentlichen Protesten wieder abgab. Unter den Augen einer zunehmend
empörten Basler Öffentlichkeit verkaufte Tettamanti im November 2010 die
BaZ an Moritz Suter, wobei unklar blieb, wer die Geldgeber im
Hintergrund waren. Man vermutete Blocher, doch der dementierte mehrfach.
Tettamanti sagte gestern, er habe selber nicht gewusst, aus welcher
Quelle die 70 Millionen stammten: «Moritz Suter ist allein zu mir ins
Tessin gekommen. Wie er das Geschäft finanzierte, interessierte mich
nicht.» Dass Blocher und seine Tochter mithilfe des ehemaligen
UBS-Bankers Marcel Ospel verdeckt die Fäden zogen, kam erst ans Licht,
als Suter kürzlich von Blocher ausgebootet wurde.
Er wolle als Eigentümer die Fehler, die er damals gemacht habe,
nicht ein zweites Mal begehen, sagte Tettamanti gestern: «Ich komme mit
Leidenschaft zurück.» Der Medienplatz Basel habe sich zwischenzeitlich
stark verändert. Mit der «Tageswoche» sei eine neue Konkurrentin
entstanden, ebenso mit dem «Sonntag». Die Basler könnten unter
verschiedenen Medienerzeugnissen frei wählen. Das sei eine ideale
Ausgangslage, um eine «Basler Zeitung» zu machen, welche «profiliert,
mutig, offen und fair» sei. Tettamanti liess keinen Zweifel an der
politischen Ausrichtung des Produkts. Sie soll eine Gegenstimme zum
«linken Mainstream» sein, welchen der Tessiner in der Schweizer
Medienlandschaft seit Jahren beklagt.
Der bisherige Geschäftsführer der BaZ Holding, Roland Steffen,
bleibt ebenso im Amt wie Chefredaktor Markus Somm. Die beiden hätten
bereits wichtige Schritte zur Sanierung der Gruppe eingeleitet. Filippo
Leutenegger soll das Unternehmen «auf eine langfristig gesunde
finanzielle Basis stellen».
Um für die Sanierungsarbeiten genügend Kapazität zu haben,
übergibt Leutenegger die Leitung seines eigenen Verlags
Neue-Ideen.ch
seinem Stellvertreter. Leutenegger wird direkt an Tettamanti
rapportieren. Der Financier hat ihm eine Carte blanche ausgestellt: «Ich
habe mit Filippo seinerzeit gute Erfahrungen bei der Jean Frey AG
gemacht und vertraue ihm voll und ganz.»
Der Tessiner hatte im Jahr 2002 mit Investoren die Jean Frey AG
(«Weltwoche», «Beobachter», «Bilanz») gekauft. Der neue Chefredaktor
Roger Köppel sprach Kündigungen aus und verordnete der «Weltwoche» einen
rechtsliberalen Kurs. 2003 rief er zur Wahl der SVP auf. Ende 2006
verkaufte Tettamanti Jean Frey an den deutschen Medienriesen Springer.
Ausgenommen blieb die «Weltwoche», welche Köppel selbst übernahm. Wie
bei der BaZ hielten sich hartnäckig Gerüchte, dass Blocher der Geldgeber
im Hintergrund sei. Belege dafür gibt es bis heute keine.
Tettamanti sagte gestern, er habe keinerlei Absicht, die
«Weltwoche» in den Verbund seiner Medienvielfalt Holding aufzunehmen:
«Die ‹Weltwoche› macht schon, was sie zu machen hat.»