Ein Lama, ein Esel und ein Vogel

Es war einmal

Es war einmal ein Bauer, der hat­te ein al­tes Mi­li­tär­ross. Es hat­te bei ihm das Gna­den­brot. Da­mit ihm nicht so lang­wei­lig sei, such­te er ihm einen Ge­fähr­ten. Vom Zür­cher Zoo konn­te er ein Lama er­wer­ben. Die bei­den freun­de­ten sich an und wa­ren un­zer­trenn­lich.

Und wie es im ech­ten Leben halt so geht, das Ross war schon alt. Und eines Ta­ges starb es da­hin. Das Lama war trau­rig und ser­bel­te da­hin. Da er­barm­te seiner sich der Bauer und kauf­te ihm als Ge­fähr­ten einen Esel.

Die beiden freun­de­ten sich an und wa­ren un­zer­trenn­lich. Acht lan­ge Jah­re er­freu­ten sich die bei­den zu­sam­men. Nur so im De­zem­ber, wenn der Esel sei­nen Pflich­ten beim Sami­chlaus nach­kam, da war das Lama un­aus­steh­lich, är­ger­lich und pol­ter­te um­her. Kaum war sein Freund zu­rück, da war auch die Welt wie­der in Ord­nung.

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Doch plötzlich

Ein über­zeug­ter Tier­schüt­zer fun­da­men­ta­lis­ti­scher Prä­gung, wohl aber ohne eige­ne Er­fah­rung, stell­te fest, dass da ein Pa­ra­graph des Ge­set­zes nicht ein­ge­hal­ten war. Lamas sind im­mer in Ge­sell­schaft an­de­rer Lamas zu hal­ten. Und das stimm­te auch. Aber sehr mu­tig war er nicht. Al­so ver­zeig­te er das Lama — äh, na­tür­lich sei­nen Hal­ter bei der hol­den Ob­rig­keit, aber ganz ano­nym.

Dies kam einem ge­lehr­ten Vo­gel zu Oh­ren. Der wälz­te die Ge­set­zes­bü­cher und muss­te fest­stel­len, die Ge­set­ze ver­bie­ten einem al­lein­ste­hen­den Lama das Le­ben. Der Vo­gel muss­te da­her dem Bauern die Si­tua­tion klar ma­chen.

Für diesen war aber das Pro­blem zu schwie­rig. Er zog an­de­re Ge­lehr­te zu Ra­te, die mit Lamas gut be­freun­det wa­ren. Nach lan­gen Über­le­gun­gen mein­te der Ers­te, am bes­ten wä­re es wohl, der Bauer wür­de noch ein Lama be­sor­gen. Das war aber dem Bauern zu­viel; wo­mög­lich hät­te er dann auch noch­mals einen Esel kau­fen müs­sen. Und wenn eines der Tie­re alt wür­de, müss­te er noch­mals wel­che zu­kau­fen. Und auch er sel­ber könn­te ja alt wer­den.

Nach weite­ren Über­le­gun­gen und Gut­ach­ten fand ein Zwei­ter: "Man müss­te wohl das Lama wo­an­ders plat­zie­ren, in eine Her­de von Lamas ge­ben". Doch da fand ein Drit­ter, nach so­vie­len Jah­ren nur mit Ross und nach­her mit Esel sei das Lama wohl nun ein Ein­zel­gän­ger, ein Ere­mit. Es wür­de sich wohl kaum mehr in eine Her­de ein­ord­nen kön­nen und küm­mer­lich ein­ge­hen.

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Und wenn sie nicht gestorben sind … leider nein

Bundeshaus
Och­sen­schüür zu Bern, wo Esel in Her­den ge­hal­ten wer­den.

Dem Bauern war das wohl alles zu­viel und zu un­si­cher. Das Lama soll­te aber nicht mit "viel­leicht" und "aber" ge­quält wer­den. Das Lama wur­de ge­schlach­tet und zu Fleisch und Wurst ver­ar­bei­tet. Der Esel fand einen neu­en Platz. Da­mit sind al­le Pro­bleme die­ser Welt ge­löst.

Bundeshaus
Och­sen­schüür zu Bern, wo Esel in Her­den ge­hal­ten wer­den.

Und die Moral von der Geschicht

Die Politi­ker ma­chen ein Ge­setz für einen spe­ziel­len Fall und lassen die Gerichte es dann ge­ne­rell an­zu­wen­den, al­so auch für an­de­re, un­glei­che Fäl­le. Gen­au wie die Sta­tis­ti­ker rich­ti­ge Rech­nun­gen mit fal­schen Zah­len lö­sen, ma­chen die Po­li­ti­ker ri­ch­ti­ge Ge­set­ze unter fal­schen Vor­aus­set­zun­gen und An­nah­men.

Und in diesem spe­ziel­len Fal­le muss man den Po­li­ti­kern aber zu gu­te hal­ten, dass sie sich wohl be­wusst wa­ren, dass in der Schweiz die meis­ten Esel nur zwei Bei­ne ha­ben. Und die­se wer­den hier­zu­lan­de auch im­mer mit an­de­ren Eseln zu­sam­men ge­hal­ten, wie zum Bei­spiel in der Och­sen­schüür zu Bern.

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