Das Polit-Establishment zittert, weil sich mit der Abstimmung vom 5. Juni ein Ja zur «Pro Service public»-Initiative abzeichnet. Was die Bürger an den Diensten der SBB, der Post oder bei Swisscom ärgert, blieb bisher eine Behauptung der Initianten des Konsumzeitschriftenverlags KI-Media. Der TA wollte es genau wissen und führte letzte Woche eine Onlineumfrage durch. 3'200 Nutzer nahmen teil. Das Resultat zeigt: 43 Prozent aller Teilnehmer sind mit den Diensten der drei staatsnahen Betriebe monatlich mindestens einmal unzufrieden bis sehr unzufrieden.
Die Gegner haben den Initianten wiederholt Eigennutz vorgeworfen. Die Initiative diene vor allem der Selbstprofilierung eines Verlags. Dieser Vorwurf ist in den Augen einer Mehrheit der Umfrageteilnehmer verfehlt. Ein Drittel sagt, dass die Initianten «Probleme benennen, die andere ignorieren». Ein weiteres Drittel bestätigt, es sei «ihr gutes Recht» als Journalisten, eine Volksinitiative zu lancieren, weil sie «auch Staatsbürger sind». Trotzdem gibt sich eine Mehrheit desillusioniert, was die Folgen angeht: Nur rund ein Drittel glaubt, dass sich bei einem Ja etwas am Service public ändern würde.
Der TA wollte konkret wissen, welche Dienstleistungen der Staatsbetriebe am meisten Probleme bereiten. Es gab sowohl vorformulierte als auch offene Fragen, die die Möglichkeit boten, eigene Kritikpunkte einzubringen.
• Swisscom: Bei der Swisscom ärgern am häufigsten hohe Auslandtarife für das Surfen (65 Prozent aller Teilnehmer) und das Telefonieren (58 Prozent). Die Befragten kritisieren auch die hohen Kosten der Kombiangebote von Handy, Festnetz, Internet und TV (55 Prozent).
• Post und Postfinance: Bei der Post ärgern am häufigsten eingeschränkte Schalteröffnungszeiten (51 Prozent). Sehr umstritten sind auch der Zustelldienst und die Abholungseinladungen (44 Prozent). Häufig ärgert das Porto für Pakete (43 Prozent). Frustpotenzial bietet auch die Tatsache, dass die Post sich weigert, Kreditkarten als Zahlungsmittel zuzulassen (36 Prozent). Erst dieses Jahr werden Maestro-Karten zugelassen.
• SBB: Bei den SBB führt der letztes Jahr eingeführte Swiss-Pass zum grössten Ärger. Er wurde von 53 Prozent aller Teilnehmer genannt. Am zweithäufigsten stehen die alle zwei Jahre stattfindenden Tariferhöhungen des ÖV im Fokus der Kritik (47 Prozent). Am dritthäufigsten genannt werden übervolle Züge im S-Bahn-Verkehr (43 Prozent).
Dass der Swiss-Pass so viel Unmut weckt, überrascht. Doch Bahnexperten sehen gute Gründe dafür: Ein Teil der Bahnkunden verstehe nicht, warum man den Swiss-Pass zur Kontrolle dem Zugführer übergeben müsse. Mit der früheren Halbtax-Abo-Karte war dies nicht nötig. Ein anderer Teil erhofft sich einen viel fortschrittlicheren Service — etwa, dass der Kunde beim Besteigen künftig automatisch kontrolliert oder der Fahrpreis abgebucht wird.
Bei allen drei Unternehmen nutzten je ungefähr 200 Umfrageteilnehmer ein offenes Antwortfeld, um weitere Kritikpunkte zu nennen. Die häufigsten:
• Post: Viele Befragte fordern die Abschaffung des Unterschieds von A- und B-Post. Insbesondere die Langsamkeit der B-Post mit mehr als 3 Tagen verärgert. Viele Meldungen betreffen hohe Gebühren für Auslandpakete und Verzollungen, die als unfair gesehen werden («Horrende Verzollungskosten», «Gebührenabzocke»). Geschildert werden auch Pöstler, die eingeschriebene Briefe nicht zustellen und stattdessen — ohne zu läuten — eine Abholungseinladung in den Kasten werfen. Gefordert werden Abendöffnungszeiten für Poststellen. Viele Negativmeldungen betreffen das Angebot der Poststellen mit Papeterie, Elektronik und Büchern («Kiosk!», «Gemischtwarenladen!», «zu viel Kommerz!»). Schliesslich beklagen viele jüngst geschlossene Poststellen.
• SBB: Bei den SBB dominieren Klagen über Sauberkeit, Billettausgabe, Fahrplan, Infrastruktur, Tarifpläne und Management. Es werden dreckige, geschlossene oder nicht funktionierende Toiletten bedauert. Das Zugpersonal wird wahlweise als unfreundlich, arrogant, beamtenhaft oder schlicht als abwesend bezeichnet. Viele Klagen betreffen komplizierte Billettautomaten und die Reduktion von Schalteröffnungszeiten. Diese Klagen treten in Kombination mit komplexen Tarifsystemen auf. Es fallen Begriffe wie Tarifdschungel und Tarifchaos. Beim Fahrplan werden Ausdünnung, Vernachlässigung der Randregionen und strukturell langsame Verbindungen genannt, etwa von Zürich nach Basel. Das Management und ihr Konzernchef Andreas Meyer werden wiederholt genannt. Er sei arrogant und erhalte einen Lohn, der «in keinem Verhältnis zur Leistung» stehe.
• Swisscom: Bei der Swisscom stehen Kombiangebote, Kundendienst, Tarife, Infrastruktur, Internetgeschwindigkeit und zu hohe Managersaläre in der Kritik. Auffallend ist, wie häufig die Marktdominanz der Swisscom und ihr potenzieller Missbrauch genannt werden, darunter «unverschämtes Ausnutzen der Marktführerschaft», «Wettbewerbsbehinderung», «Netzhoheit verhindert gerechte Konkurrenz» und «Quasi-Monopol», woran der Staat dank «hoher Dividendenausschüttung» mitverdiene.
Insgesamt fordert ein guter Teil der Befragten einen Ausbau der Grundversorgung bei allen drei Staatsbetrieben, insbesondere im Post- und Telecombereich. Auf die Frage «Grundversorgung abschaffen?» antworteten bei der Post nur 6 Prozent mit Ja, bei der Swisscom waren 9 Prozent für eine Abschaffung der Grundversorgung, zu der heute das Festnetz und die Telefonkabinen gehören. Bei der Post verlangt rund die Hälfte der Befragten einen Ausbau der staatlich kontrollierten Leistungen, darunter tiefere Tarife. Bei der Swisscom sind es sogar 63 Prozent.
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