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«saldo Nr. 7, 2016»

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SBB-Kunden­kampagne: Spott gesät, Kritik geerntet

SBB TV-Spot
TV-Spot(t) der SBB: «Schade, dass die SBB ein sol­ches Bild ih­rer Kun­den ha­ben»
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TV-Spot(t) der SBB: «Schade, dass die SBB ein sol­ches Bild ih­rer Kun­den ha­ben»
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Dumm ge­lau­fen. Die SBB ver­spot­ten ih­re Kun­den und wol­len von ih­nen be­wer­tet wer­den. Die Re­sul­ta­te fal­len nicht gut aus.

Beni Frenkel, Redaktion saldo

Auf der SBB-Home­pa­ge sieht man nur glück­li­che Men­schen: Der Schal­ter­be­am­te strahlt beim Aus­hän­di­gen der Bil­let­te, der Elek­tro­mon­teur grinst beim Check der Steue­rungs­an­la­ge und der Zug­be­glei­ter hält ein Schwätz­chen mit der hüb­schen Da­me in der 1. Klas­se.

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Die Ein­zi­gen, die das Bild trü­ben, sind die Kun­den. Die SBB zei­gen sie in einem neu­en TV-Spot als mie­se­pet­ri­ge, un­sym­pa­thi­sche und leicht dümm­li­che Zeit­ge­nos­sen. Haupt­aus­sa­ge: Die «Pünkt­lich­keits­fa­na­ti­ker», «Sau­ber­män­ner» und «Frü­her-war-al­les-bes­ser-Fin­der» sol­len den SBB ih­re Mei­nung sa­gen.

Eigent­lich darf es im SBB-Land der Glück­li­chen kei­ne Un­zu­frie­de­nen ge­ben. 2015 stieg der Wert in der all­jähr­li­chen SBB-Kun­den­zu­frie­den­heits­stu­die auf 74,8 Punk­te. Im Jahr zu­vor lag der Wert bei 74,3 Punk­ten. Bei die­ser Stu­die wer­den jähr­lich 20'000 te­le­fo­ni­sche In­ter­views durch ein Markt­for­schungs­in­sti­tut durch­ge­führt.

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Nun zeigt sich, dass die Kun­den ano­nym weit­aus kri­ti­scher sind mit den SBB. Auf der neu­en Web­si­te Sbb-zu­frie­den­heit.ch wer­den die Rei­sen­den ge­fragt: «Wie zu­frie­den wa­ren Sie heu­te mit den SBB?» Sie kön­nen dann einen bis fünf Ster­ne ver­tei­len — et­wa zu «Sau­ber­keit», «Preis», «Ein­fach­heit» und «Pünkt­lich­keit».

Kun­den ge­ben ein «knapp ge­nü­gend»

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Die ver­öf­fent­lich­ten Da­ten bil­den den Durch­schnitt der letz­ten 24 Stun­den ab. Die «ge­sam­te Zu­frie­den­heit» liegt seit Ta­gen bei drei von fünf Ster­nen. Das gleicht einem Wert von 60 Punk­ten (bei ma­xi­mal 100 Punk­ten) und ent­spricht der No­te 4. Knapp ge­nü­gend.

Die Un­ter­schie­de zur Stu­die sind auch den SBB auf­ge­fal­len. Eine Spre­che­rin recht­fer­tigt sich: Rei­sen­de wür­den nach einem ne­ga­ti­ven Er­leb­nis «un­mit­tel­bar und oh­ne Ver­zug» eine Be­wer­tung ab­ge­ben. Es hand­le sich um «Im­pul­se».

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Bei den Wer­bern kommt die Zu­frie­den­heits­kam­pag­ne der SBB schlecht an. Mar­kus Gut von der Wer­be­agen­tur Young & Ru­bi­cam sagt zum TV-Spot: «Vom Ca­sting der Per­so­nen über die ste­ri­le Um­ge­bung bis zu den fast schon be­lei­di­gen­den Aus­sa­gen wirkt al­les sehr ge­kün­stelt und un­sym­pa­thisch. Scha­de, dass die SBB ein sol­ches Bild ih­rer Kun­den ha­ben.»

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Frank Bo­din, Prä­si­dent des Art Di­rec­tors Club, fin­det es «im An­satz gut», dass die SBB den Dia­log su­chen. Dass man aber auf der Zu­frie­den­heits-Web­si­te kei­ne in­halt­li­che Kri­tik und kei­ne Ideen an­brin­gen kann, sei «eine ver­pass­te Chan­ce. Nur Stern­chen ver­tei­len bringt et­was we­nig.»

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Post: Kein Herz für Senioren

12'000 Senioren er­hal­ten ih­re Ren­te heu­te noch bar aus­ge­zahlt. Doch da­mit ist ab näch­stem Jahr Schluss.

Beni Fren­kel, Re­dak­tion «saldo»
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Mar­grith Eber­hard (82) aus Am­ris­wil TG ist al­lein­ste­hend und geh­be­hin­dert. Im No­vem­ber 2014 teil­te ihr die Post mit, ih­re Ren­te wer­de nur noch bis En­de 2016 bar aus­ge­zahlt (sal­do 20/14). Sie müs­se ein Kon­to er­öff­nen. Im­mer­hin: Die Post ver­sprach, «für be­grün­de­te Fäl­le» eine an­de­re Lö­sung zu fin­den. Pas­siert ist nichts — bis heu­te. Mar­grith Eber­hard hat jetzt ein Post­kon­to. Zum Geld­ab­he­ben fährt sie mit dem Ta­xi zur Post — auf eige­ne Kos­ten.

Die Zer­mür­bungs­tak­tik der Post zahlt sich aus: En­de 2014 er­hiel­ten 50'000 Se­nio­ren ih­re Ren­te bar auf die Hand. Heu­te sind es noch 12'000.

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Seit 2012 ge­hört die Bar­aus­zah­lung nicht mehr zur Grund­ver­sor­gung. Das Eid­ge­nös­si­sche De­par­te­ment für Ver­kehr schreibt je­doch, es er­war­te von der Post, «dass das Vor­ha­ben un­ter Ein­be­zug der Be­trof­fe­nen und ih­rer Be­dürf­nis­se sorg­sam um­ge­setzt wird». Eine Mit­tei­lung, wel­che Al­ter­na­ti­ven die Post für Se­nio­ren oh­ne Kon­to vor­schlägt, wä­re ein ers­ter Schritt. Jo­han­nes Mö­ri von der Post­fi­nan­ce sagt, man wer­de «recht­zei­tig» in­for­mie­ren.

Fragt sich nur, ob dies der Fall ist, be­vor die ver­blie­ben­en 12'000 Rent­ner auch noch ein Kon­to er­öff­net ha­ben.

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