«saldo Nr. 9, 2016»
Niklaus Blaser ärgert sich über die Swisscom. Der saldo-Leser wohnt nur knapp vier Kilometer vom Zentrum der Gemeinde Langnau im Emmental entfernt. Trotzdem wird er so schnell nicht in den Genuss eines «brauchbaren» Internetanschlusses kommen. Mit «brauchbar» meint Blaser ein schnelles Ultrabreitband. Dieses baut die Swisscom in der Emmentaler Gemeinde zurzeit aus. Blaser aber muss sich mit langsamen 2 Mbit/s Download und 0,2 Mbit/s Upload begnügen. Das reicht für normales Surfen. Doch sobald er einen Film anschauen will oder mehrere Leute online sind, ruckelt das Bild.
Die Swisscom modernisiert das Netz innerhalb einer Gemeinde hauptsächlich in den Bauzonen. Deshalb geht der Ausbau an Blaser vorbei. Seine Wohnung an der Kammershausscheuer 913 in Bärau liegt ausserhalb einer solchen Zone.
Das stösst dem Emmentaler sauer auf: Die Swisscom fördere damit ein Zweiklassensystem — die ländliche Bevölkerung gehöre zu den Verlierern. «Das ist diskriminierend und vertieft den digitalen Graben in der Schweiz», kritisiert Blaser.
Niklaus Blaser
Die Swisscom schreibt, sie suche nach Lösungen, zum Beispiel in Zusammenarbeit mit den Behörden betroffener Gemeinden. Man hab Langnau den Netzausbau im Dezember 2015 präsentiert. Über den konkreten Inhalt der Gespräche sagt die Swisscom nichts. Sie seien vertraulich.
Es liegt auf der Hand, was mit vertraulich gemeint ist: Die Gemeinde hätte sich wohl an den Kosten zu beteiligen. Langnau hat eine Studie in Auftrag gegeben. Danach würde ein Netzausbau für die 424 Haushalte ausserhalb der Bauzone satte 7,6 Millionen Franken kosten. Das könne sich die Gemeinde schlicht nicht leisten, sagt Blaser, der seit 2006 für die SVP im Gemeindeparlament von Langnau sitzt. Er kennt die Finanzen der Gemeinde.
Langnau ist kein Einzelfall. Pro Jahr baut die Swisscom in Hunderten Gemeinden die Netze aus. Bei rund der Hälfte fordert sie eine Kostenbeteiligung. Ohne Zweifel ein für die Swisscom interessantes Geschäftsmodell: Die Gemeinden sollen zahlen, erhalten aber nichts von den künftigen Gebühreneinnahmen für TV, Internet und Festnetz.
Damit dieses Modell funktioniert, geht die Swisscom ausserhalb der Städte nach knallharten Kriterien vor: Wo viele potenzielle Abonnenten wohnen und der Ausbau aufgrund der geografischen Verhältnisse mit wenig Aufwand zu realisieren ist, übernimmt sie die Kosten selbst.
In Langnau versucht die Swisscom zu beschwichtigen. Das Unternehmen testet dort nach eigenen Angaben eine neue Technologie, bei der das Fest- mit dem Mobilfunknetz kombiniert wird, das sogenannte DSL+LTE-Bonding. Swisscom: «Solche Technologien können künftige Lösungen für Standorte wie der Kammershausscheuer 913 in Bärau darstellen.»
«Warum erst jetzt?», fragt sich Blaser, der selbst in der Telekommunikationsbranche tätig ist. Damit wolle man die Kunden lediglich «besänftigen und auf unbestimmte Zeit vertrösten», sagt der Emmentaler und fragt: «Hat der Staat nicht die Aufgabe, für die Bevölkerung im ganzen Landesgebiet zu sorgen — und nicht nur in den Städten?»
Die Swisscom erklärt: «Wir treiben den Ausbau auch in ländlichen Regionen und Gemeinden voran. So ist es unser Ziel, jede Schweizer Gemeinde mit Ultrabreitband auszustatten.»
Sven Zaugg
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«saldo Nr. 9, 2016»
Auch Haushalte in entlegenen Gegenden haben ein Anrecht darauf, dass ihnen der Pöstler die Post nach Hause bringt. Die Details regelt Artikel 31 der Postverordnung: Die zusätzliche Wegzeit eines Pöstlers zu einem Haushalt darf nicht mehr als zwei Minuten betragen. Den Briefkasten muss er motorisiert in höchstens einer Minute erreichen können — gemessen von einer ganzjährig bewohnten Siedlung aus. Sie muss mindestens fünf Häuser umfassen.
Der Ziegelhof von Landwirt Beat Gremper liegt am Dorfrand von Möhlin. Vom letzten — von der Post bedienten — Haus aus führt eine asphaltierte Strasse bis zur Hofzufahrt. Ein motorisierter Postbote erreicht sie problemlos in weniger als einer Minute. Das ergab eine saldo-Testfahrt vor Ort.
Trotzdem verweigerte die Post die Hofzustellung. Gemäss Artikel 31 der Postverordnung sei die Post «nicht zustellpflichtig». Das schrieb die Post der «Neuen Fricktaler Zeitung», die über den Fall berichtete. Bauer Gremper wunderte und ärgerte sich: «Die Höfe ringsum erhalten alle Post. 500 Meter entfernt fährt der Briefträger vorbei!»
Die Post teilte ihm am 18. März telefonisch mit, er könne einen Briefkasten jenseits der Autobahnbrücke am Siedlungsrand aufstellen oder auf der Poststelle in Möhlin ein Postfach eröffnen. Beides lehnte der Landwirt ab.
Am 23. März kam es auf Grempers Hof zu einem Treffen mit Postvertretern. «Das war eine Alibiübung. Es war von vorneherein klar, dass die Post bei ihrem Entscheid bleiben würde», sagt Gremper zu saldo. Vor Ort habe er seinem Ärger Luft gemacht. Darauf habe die Post das Gespräch abgebrochen.
Anfang Mai liess die Post wieder von sich hören. Die Hofzustellung sei in reduziertem Umfang möglich, teilte die Zustellregion Liestal plötzlich mit. Der Briefträger werde die Post künftig dreimal wöchentlich bis zum Haus bringen.
Gremper machte den Vorschlag, an der Grenze zu seinem Grundstück, 170 Meter vom Haus entfernt, einen Briefkasten aufzustellen. Die Post ging darauf nicht ein. Immerhin: Der Landwirt erhält nun wenigstens jeden zweiten Tag Post.
Ueli Abt
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