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Für die Finanzmarktaufsicht (Finma) gehört es zum Alltag, bei Banken und Versicherungen anzuklopfen und direkt in deren Büros zu kontrollieren, ob sie sich an die gesetzlichen Regeln halten. Etwa 80 solcher Vor-Ort-Kontrollen führt die Finma Jahr für Jahr durch. Hinzu kommen Hunderte kleinere Abklärungen.
Umgekehrt lässt sich die Finma offenbar nicht gerne in die Karten blicken. Dies hat die Revisionsstelle der Finma, die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK), zu spüren bekommen. Eigentlich hätte sie letztes Jahr neben der üblichen Abschlussprüfung bei der Finma noch zwei weitere Prüfungen durchführen wollen: Einerseits hätte die EFK die Tätigkeit der internen Finma-Revisionsstelle anschauen wollen. Andererseits wollte sie die Finma-Aufsicht im Krankenversicherungsbereich über die Zusatzversicherungen evaluieren.
Doch die EFK musste unverrichteter Dinge wieder abziehen. Die Befragungen von Finma-Mitarbeitern hätten zwar noch planmässig stattgefunden, sagt EFK-Direktor Michel Huissoud. «Doch dann bezweifelte der Finma-Rechtsdienst letzten Frühling unser Recht, Einsicht in Dossiers zu nehmen.»
Dass die Finma ihrer Revisionsstelle Dossiers vorenthält, weckt Misstrauen. Zumal es um einen Bereich geht, in dem die Finanzmarktaufsicht ohnehin unter Druck steht. Ist die Finma mit den Krankenkassen streng genug, oder lässt sie zu hohe Margen zu? Nicht nur Konsumentenschützer haben Vorbehalte, auch im Parlament gibt es kritische Vorstösse zu dieser Frage.
Bei der blockierten Prüfung geht es darum, herauszufinden, ob die Aufsicht über die Krankenkassen funktioniert. Dieser Bereich ist kompliziert, weil zwei Stellen involviert sind. Die Finma ist für die Zusatzversicherungen zuständig, das Bundesamt für Gesundheit für die obligatorische Grundversicherung. In einer solchen Konstellation gibt es naturgemäss Schnittstellen. Nur eine übergeordnete Instanz — die Finanzkontrolle — kann erkennen, ob diese gut bewirtschaftet werden.
Um die verfahrene Situation zu lösen, muss die Finma einlenken. Es darf nicht sein, dass sie die obersten Finanzprüfer des Bundes auflaufen lässt und auf kritische Nachfragen mit einem «No comment» reagiert. So fügt sich die Finma auch selber Schaden zu. Geheimniskrämerei ist Gift für das Vertrauen, auf das die Finma angewiesen wäre, um wiederum die eigene Arbeit ungestört verrichten zu können.
Die Differenzen zwischen den beiden Stellen müssen gross sein. So gross, dass EFK-Direktor Huissoud zu einem ungewöhnlichen Mittel griff. Er machte den Konflikt — etwas verklausuliert — öffentlich. Im Vorwort des diese Woche publizierten EFK-Jahresprogramms schrieb er, die geplanten Prüfungen hätten nicht stattgefunden, weil sich die Zusammenarbeit mit der Finma als «anspruchsvoller als gedacht» erwiesen habe. Und weiter: «Wir sind zuversichtlich, dass es dieses Jahr klappen wird. (…) Die Finma wird unseren Teams ihre Türen öffnen.»
Die Frage drängt sich auf: Weshalb sträubt sich die Finma gegen die Kontrolle der eigenen Tätigkeiten? Hat sie etwas zu verbergen? Ein Sprecher will dazu keine Stellung nehmen und spielt den Konflikt herunter: «Die Finma ist selbstverständlich offen und unterstützend gegenüber den vorgesehenen externen Überprüfungen ihrer Arbeit und Organisation», teilt er mit. Nachfragen blockt er ab: «Weiter haben wir keinen Kommentar abzugeben.»
Laut EFK-Direktor Huissoud soll die Prüfung Fragen bezüglich Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit, Unabhängigkeit und Risikoorientierung beantworten. Dabei handle es sich um die normale Evaluationstätigkeit der EFK.
Klar ist aber: Im Bereich der Zusatzversicherungen hatte die Finma zuletzt alle Hände voll zu tun. Und sie steht in der Kritik. Der Hintergrund: Mit der neuen Spitalfinanzierung können die Krankenversicherer seit 2012 viel Geld sparen. Die Einsparungen müssen sie an die Versicherten weitergeben. Die Finma ist zuständig dafür, zu kontrollieren, ob das geschieht. 2013 überprüfte sie deshalb die Tarife sämtlicher Spitalzusatzversicherungen. Bei fast der Hälfte verlangte sie Korrekturen. Das alles geschah hinter verschlossenen Türen. Nach «intensiven Gesprächen» hätten alle Versicherer die Vorgaben erfüllt, weshalb kein formelles Verfahren zur Tarifsenkung nötig sei, schrieb die Finma im letzten Jahresbericht.
Jedoch bezweifeln Kantone und Konsumentenschützer, dass die Finma alle Mittel ausgeschöpft hat. Man gehe davon aus, dass die Prämien der Zusatzversicherungen «noch nicht flächendeckend und in erforderlichem Ausmass gesunken sind», schrieb die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren letzten September und forderte «mehr Transparenz und eine konsequente Überprüfung durch die Finma». Auch bei der Stiftung für Konsumentenschutz ist man skeptisch: «Wir gehen davon aus, dass die Prämien bei den Zusatzversicherungen nach wie vor zu hoch sind. Da müsste die Finma kontinuierlich kontrollieren, jedoch nimmt sie diese Pflicht nicht wahr», sagt die Leiterin der Stiftung, Sara Stalder.
Denkbar ist auch, dass sich die Finma der Kontrolle der EFK entziehen will, weil sie befürchtet, damit weitere Begehrlichkeiten zu wecken. Tatsächlich beschäftigen sich die parlamentarischen Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) schon seit einiger Zeit mit der Frage, ob sie genügend Mittel haben, um die Oberaufsicht von ausgelagerten Einheiten des Bundes wie der Finma wahrzunehmen. Laut Rudolf Joder, Präsident der GPK des Nationalrats, wird die Kommission in der kommenden Woche darüber diskutieren, «ob der rechtliche Rahmen angepasst und mehr Einflussmöglichkeiten geschaffen werden sollen».
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Powered by | Stand: 26. Januar 2015 | © Tages Anzeiger |