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Finma lässt Kontrolleure abblitzen

Die Finanzkontrolle musste zwei Prüfungen bei der Finanzmarktaufsicht abblasen, weil ihr der Zugang zu Dossiers verwehrt wurde.

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Besuch unerwünscht: Die Finanzmarktaufsicht gibt sich verschlossen. Foto: Keystone
Christian Brönnimann Bern

Für die Fi­nanz­markt­auf­sicht (Fin­ma) ge­hört es zum All­tag, bei Ban­ken und Ver­si­che­run­gen an­zu­klop­fen und di­rekt in de­ren Bü­ros zu kon­trol­lie­ren, ob sie sich an die ge­setz­li­chen Re­geln hal­ten. Et­wa 80 sol­cher Vor-Ort-Kon­trol­len führt die Fin­ma Jahr für Jahr durch. Hin­zu kom­men Hun­der­te klei­ne­re Ab­klä­run­gen.

Umge­kehrt lässt sich die Fin­ma of­fen­bar nicht ger­ne in die Kar­ten blic­ken. Dies hat die Re­vi­si­ons­stel­le der Fin­ma, die Eid­ge­nös­si­sche Fi­nanz­kon­trol­le (EFK), zu spü­ren be­kom­men. Eigent­lich hät­te sie letz­tes Jahr ne­ben der üb­li­chen Ab­schluss­prü­fung bei der Fin­ma noch zwei wei­te­re Prü­fun­gen durch­füh­ren wol­len: Einer­seits hät­te die EFK die Tä­tig­keit der in­ter­nen Fin­ma-Re­vi­si­ons­stel­le an­schau­en wol­len. An­de­rer­seits woll­te sie die Fin­ma-Auf­sicht im Kran­ken­ver­si­che­rungs­be­reich über die Zu­satz­ver­si­che­run­gen eva­lu­ie­ren.

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Doch die EFK muss­te un­ver­rich­te­ter Din­ge wie­der ab­zie­hen. Die Be­fra­gun­gen von Fin­ma-Mit­ar­bei­tern hät­ten zwar noch plan­mäs­sig statt­ge­fun­den, sagt EFK-Di­rek­tor Mi­chel Huis­soud. «Doch dann be­zwei­fel­te der Fin­ma-Rechts­dienst letz­ten Früh­ling un­ser Recht, Ein­sicht in Dos­siers zu neh­men.»

Kommentar Von Christian Brönnimann

Die Finma muss einlenken

Dass die Fin­ma ih­rer Re­vi­si­ons­stel­le Dos­siers vor­ent­hält, weckt Miss­trau­en. Zu­mal es um einen Be­reich geht, in dem die Fi­nanz­markt­auf­sicht oh­ne­hin un­ter Druck steht. Ist die Fin­ma mit den Kran­ken­kas­sen streng ge­nug, oder lässt sie zu ho­he Mar­gen zu? Nicht nur Kon­su­men­ten­schüt­zer ha­ben Vor­be­hal­te, auch im Par­la­ment gibt es kri­ti­sche Vor­stös­se zu die­ser Fra­ge.

Bei der bloc­kier­ten Prü­fung geht es dar­um, her­aus­zu­fin­den, ob die Auf­sicht über die Kran­ken­kas­sen funk­tio­niert. Die­ser Be­reich ist kom­pli­ziert, weil zwei Stel­len in­vol­viert sind. Die Fin­ma ist für die Zu­satz­ver­si­che­run­gen zu­stän­dig, das Bun­des­amt für Ge­sund­heit für die ob­li­ga­to­ri­sche Grund­ver­si­che­rung. In einer sol­chen Kon­stel­la­ti­on gibt es na­tur­ge­mäss Schnitt­stel­len. Nur eine über­ge­ord­ne­te In­stanz — die Fi­nanz­kon­trol­le — kann er­ken­nen, ob die­se gut be­wirt­schaf­tet wer­den.

Um die ver­fah­re­ne Si­tua­ti­on zu lö­sen, muss die Fin­ma ein­len­ken. Es darf nicht sein, dass sie die obers­ten Fi­nanz­prü­fer des Bun­des auf­lau­fen lässt und auf kri­ti­sche Nach­fra­gen mit einem «No com­ment» re­agiert. So fügt sich die Fin­ma auch sel­ber Scha­den zu. Ge­heim­nis­krä­me­rei ist Gift für das Ver­trau­en, auf das die Fin­ma an­ge­wie­sen wä­re, um wie­der­um die eige­ne Ar­beit un­ge­stört ver­rich­ten zu kön­nen.

Die Dif­fe­ren­zen zwi­schen den bei­den Stel­len müs­sen gross sein. So gross, dass EFK-Di­rek­tor Huis­soud zu einem un­ge­wöhn­li­chen Mit­tel griff. Er mach­te den Kon­flikt — etwas ver­klau­su­liert — öf­fent­lich. Im Vor­wort des die­se Wo­che pub­li­zier­ten EFK-Jah­res­pro­gramms schrieb er, die ge­plan­ten Prü­fun­gen hät­ten nicht statt­ge­fun­den, weil sich die Zu­sam­men­ar­beit mit der Fin­ma als «an­spruchs­vol­ler als ge­dacht» er­wie­sen ha­be. Und wei­ter: «Wir sind zu­ver­sicht­lich, dass es die­ses Jahr klap­pen wird. (…) Die Fin­ma wird un­se­ren Teams ih­re Tü­ren öff­nen.»

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Finma: «Kein Kommentar»

Die Fra­ge drängt sich auf: Wes­halb sträubt sich die Fin­ma ge­gen die Kon­trol­le der eige­nen Tä­tig­kei­ten? Hat sie et­was zu ver­ber­gen? Ein Spre­cher will da­zu kei­ne Stel­lung neh­men und spielt den Kon­flikt her­un­ter: «Die Fin­ma ist selbst­ver­ständ­lich of­fen und un­ter­stüt­zend ge­gen­über den vor­ge­se­he­nen ex­ter­nen Über­prü­fun­gen ih­rer Ar­beit und Or­ga­ni­sa­ti­on», teilt er mit. Nach­fra­gen blockt er ab: «Wei­ter ha­ben wir kei­nen Kom­men­tar ab­zu­ge­ben.»

Laut EFK-Di­rek­tor Huis­soud soll die Prü­fung Fra­gen be­züg­lich Zu­sam­men­ar­beit mit dem Bun­des­amt für Ge­sund­heit, Un­ab­hän­gig­keit und Ri­si­ko­orien­tie­rung be­ant­wor­ten. Da­bei hand­le es sich um die no­rma­le Eva­lua­ti­ons­tä­tig­keit der EFK.

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Klar ist aber: Im Be­reich der Zu­satz­ver­si­che­run­gen hat­te die Fin­ma zu­letzt al­le Hän­de voll zu tun. Und sie steht in der Kri­tik. Der Hin­ter­grund: Mit der neu­en Spi­tal­fi­nan­zie­rung kön­nen die Kran­ken­ver­si­che­rer seit 2012 viel Geld spa­ren. Die Ein­spa­run­gen müs­sen sie an die Ver­si­cher­ten wei­ter­ge­ben. Die Fin­ma ist zu­stän­dig da­für, zu kon­trol­lie­ren, ob das ge­schieht. 2013 über­prüf­te sie des­halb die Ta­ri­fe sämt­li­cher Spi­tal­zu­satz­ver­si­che­run­gen. Bei fast der Hälf­te ver­lang­te sie Kor­rek­tu­ren. Das al­les ge­schah hin­ter ver­schlos­se­nen Tü­ren. Nach «in­ten­si­ven Ge­sprä­chen» hät­ten al­le Ver­si­che­rer die Vor­ga­ben er­füllt, wes­halb kein for­mel­les Ver­fah­ren zur Ta­rif­sen­kung nö­tig sei, schrieb die Fin­ma im letz­ten Jah­res­be­richt.

Jedoch be­zwei­feln Kan­to­ne und Kon­su­men­ten­schüt­zer, dass die Fin­ma al­le Mit­tel aus­ge­schöpft hat. Man ge­he da­von aus, dass die Prä­mi­en der Zu­satz­ver­si­che­run­gen «noch nicht flä­chen­dec­kend und in er­for­der­li­chem Aus­mass ge­sun­ken sind», schrieb die Kon­fe­renz der kan­to­na­len Ge­sund­heits­di­rek­to­ren letz­ten Sep­tem­ber und for­der­te «mehr Trans­pa­renz und eine kon­se­quen­te Über­prü­fung durch die Fin­ma». Auch bei der Stif­tung für Kon­su­men­ten­schutz ist man skep­tisch: «Wir ge­hen da­von aus, dass die Prä­mi­en bei den Zu­satz­ver­si­che­run­gen nach wie vor zu hoch sind. Da müss­te die Fin­ma kon­ti­nu­ier­lich kon­trol­lie­ren, je­doch nimmt sie die­se Pflicht nicht wahr», sagt die Lei­te­rin der Stif­tung, Sa­ra Stal­der.

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Denk­bar ist auch, dass sich die Fin­ma der Kon­trol­le der EFK ent­zie­hen will, weil sie be­fürch­tet, da­mit wei­te­re Be­gehr­lich­kei­ten zu wec­ken. Tat­säch­lich be­schäf­ti­gen sich die par­la­men­ta­ri­schen Ge­schäfts­prü­fungs­kom­mis­sio­nen (GPK) schon seit eini­ger Zeit mit der Fra­ge, ob sie ge­nü­gend Mit­tel ha­ben, um die Ober­auf­sicht von aus­ge­la­ger­ten Ein­hei­ten des Bun­des wie der Fin­ma wahr­zu­neh­men. Laut Ru­dolf Jo­der, Prä­si­dent der GPK des Na­tio­nal­rats, wird die Kom­mis­si­on in der kom­men­den Wo­che dar­über dis­ku­tie­ren, «ob der recht­li­che Rah­men an­ge­passt und mehr Ein­fluss­mög­lich­kei­ten ge­schaf­fen wer­den sol­len».

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