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Der Weltfussballverband hat sich offenbar über die ultimative Forderung ihrer Revisionsgesellschaft hinweggesetzt. Ein Brief der KPMG vom 2. Mai an die Fifa führte zu einer hitzigen Aussprache mit dem neuen Fifa-Präsidenten Gianni Infantino. Dieser verbat sich jegliche Einmischung und sprach davon, dass die KPMG nach all den Skandalen der letzten Jahre kein Anrecht habe, Forderungen zu stellen. Die Beschlüsse des Fifa-Kongresses vom 16. Mai, durch die die Kontrollorgane geschwächt wurden, und die erhöhten Ausschüttungen an korruptionsanfällige Fussball-Ländergesellschaften taten ein Übriges, dass die KPMG ihr Amt per sofort niederlegte.
(ar)
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Das Ende war abrupt. Am letzten Donnerstag zog sich die KPMG mit sofortiger Wirkung als Revisorin des Weltfussballverbands (Fifa) zurück. Die Fifa reagierte am Montag mit einem Statement, in dem sie den Abschied der Revisoren begrüsste und von einem Neuanfang sprach. Zusammen mit einem neuen Finanzchef — der alte CFO Markus Kattner wurde 14 Tage zuvor rausgeworfen — könnten die versprochenen Reformen rasch umgesetzt werden.
Ein Brief, der dem «Tages-Anzeiger» vorliegt, lässt nun aber einen anderen Hintergrund des Vorgangs erahnen und gibt Anlass zur Befürchtung, dass eher das Gegenteil eintrifft. In einem Schreiben, das die KPMG am 2. Mai 2016 dem neuen Fifa-Chef Gianni Infantino zukommen liess, warnten die Revisoren insbesondere davor, die im letzten Februar beschlossenen Reformen abzuschwächen: «Aus unserer Sicht ist die rechtzeitige und erfolgreiche Umsetzung der Reformen für den Ruf der Fifa von grösster Bedeutung. Ein wichtiges Element dieser Reformen ist die Ausarbeitung der Governance-Regeln, die in vollem Umfang in den Geist der Reformen zu implementieren sind und zu einer klaren Trennung der politischen (strategischen) und der Management-Funktionen führen müssen.»
Jede Abschwächung, in Form oder Substanz, könne die Fifa dem Risiko von negativen öffentlichen Reaktionen aussetzen. Weiter heisst es: «Die KPMG unterstützt die durch den ausserordentlichen Kongress im Februar genehmigten Reformen und ist im Rahmen dieser neuen Regelung weiterhin bereit, sich in vollem Umfang als unabhängige Revisionsstelle der Fifa zu verpflichten.» Was als ultimative Drohung zu verstehen war, anderenfalls das Mandat niederzulegen. Kurze Zeit später kam es denn auch zu einer Aussprache zwischen Vertretern der KPMG und der Fifa. An dieser Sitzung verbat sich Infantino in barschem Ton jede Einmischung. Er sagte offenbar auch, die KPMG habe als Dienstleisterin keine Forderungen zu stellen.
Am 16. Mai vollzog die Fifa dann endgültig eine Kehrtwende: Sie erliess an ihrem Kongress in Mexiko Beschlüsse, die die Position der unabhängigen Kontrollorgane deutlich schwächten. Und Infantino gab an den Vorbereitungssitzungen des Fifa-Rats unmissverständlich zu verstehen, dass er sich, anders als noch im Februar vom obersten Fifa-Organ beschlossen, als exekutiver Präsident versteht.
In ihrem Brief vom 2. Mai kritisierte die KPMG einen zweiten, zentralen Punkt, nämlich Infantinos Plan, den Ländergesellschaften höhere Zuschüsse aus der Fifa-Kasse zukommen zu lassen. Die KPMG wies darauf hin, dass damit erneut Korruptionsrisiken bestünden: «Die Erfahrung der letzten zehn Jahre hat gezeigt, dass in einigen Fällen die von der Fifa im Rahmen des Finanzhilfeprogramms zur Verfügung gestellten Mittel missbraucht wurden.» Dies vor allem, weil einige der mit mehr Mittel zu versorgenden Organisationen noch nicht in der Lage oder willens seien, das Geld auch wirklich im Sinne des Fussballsports auszugeben.
Auch hier erteilte die Fifa der KPMG mit ihren Beschlüssen in Mexiko eine deutliche Absage. Der Hintergrund: Der inzwischen zurückgetretene Chef der Finanzaufsicht, Domenico Scala, hatte im letzten Herbst den Fussballverbänden von Nord- und Südamerika die Mittelzufuhr nach Korruptionsskandalen gekappt. Deshalb war er bei einigen Vertretern der nationalen und regionalen Fussballverbände ein rotes Tuch. In der Vorbereitung des Fifa-Kongresses lancierten darum die Vertreter der regionalen Verbände eine Unterschriftensammlung, in der die Absetzung Scalas verlangt wurde. Gleichzeitig liess sich Infantino vom Kongress das Recht absegnen, bei Bedarf Scala oder andere Mitglieder der Finanzaufsicht oder der Ethikkommission abzusetzen. Auch soll nun die Absicht, den Verbänden mehr Mittel auszuzahlen, umgesetzt werden.
Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» wollte die KPMG nicht mehr weiter Stellung nehmen. Sie schrieb auf Anfrage lediglich: «Gemäss den gesetzlichen Vorgaben haben wir den Präsidenten der Fifa mit Schreiben vom 9. Juni 2016 über unseren Rücktritt und die Rücktrittsgründe informiert.»
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Powered by | Stand: 15. Juni 2016 | © Tages Anzeiger |