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Die Fifa im Clinch mit den Revisoren

Der Welt­fuss­ball­ver­band hat sich of­fen­bar über die ul­ti­ma­ti­ve For­de­rung ih­rer Re­vi­si­ons­ge­sell­schaft hin­weg­ge­setzt. Ein Brief der KPMG vom 2. Mai an die Fi­fa führ­te zu einer hit­zi­gen Aus­spra­che mit dem neu­en Fi­fa-Prä­si­den­ten Gian­ni In­fan­ti­no. Die­ser ver­bat sich jeg­li­che Ein­mi­schung und sprach da­von, dass die KPMG nach all den Skan­da­len der letz­ten Jah­re kein An­recht ha­be, For­de­run­gen zu stel­len. Die Be­schlüs­se des Fi­fa-Kon­gres­ses vom 16. Mai, durch die die Kon­troll­or­ga­ne ge­schwächt wur­den, und die er­höh­ten Aus­schüt­tun­gen an kor­rup­ti­ons­an­fäl­li­ge Fuss­ball-Län­der­ge­sell­schaf­ten ta­ten ein Üb­ri­ges, dass die KPMG ihr Amt per sofort nie­der­leg­te.

(ar)

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KPMG warnte die Fifa vor Korruption

Die Revisionsgesellschaft forderte den neuen Fifa-Präsidenten Gianni Infantino ultimativ auf, die versprochenen Reformen umzusetzen. Nun legt sie ihr Mandat nieder.

Arthur Rutishauser
Infaniton Wegweisende Entscheidungen: Gianni Infantino am Fifa-Kongress in Mexiko.Foto: AP

Das En­de war ab­rupt. Am letz­ten Don­ners­tag zog sich die KPMG mit so­for­ti­ger Wir­kung als Re­vi­so­rin des Welt­fuss­ball­ver­bands (Fi­fa) zu­rück. Die Fi­fa re­agier­te am Mon­tag mit einem Sta­te­ment, in dem sie den Ab­schied der Re­vi­so­ren be­grüss­te und von einem Neu­an­fang sprach. Zu­sam­men mit einem neu­en Fi­nanz­chef — der al­te CFO Mar­kus Katt­ner wur­de 14 Ta­ge zu­vor raus­ge­wor­fen — könn­ten die ver­spro­che­nen Re­for­men rasch um­ge­setzt wer­den.

Ein Brief, der dem «Ta­ges-An­zei­ger» vor­liegt, lässt nun aber einen an­de­ren Hin­ter­grund des Vor­gangs er­ah­nen und gibt An­lass zur Be­fürch­tung, dass eher das Ge­gen­teil ein­trifft. In einem Schrei­ben, das die KPMG am 2. Mai 2016 dem neu­en Fi­fa-Chef Gian­ni In­fan­ti­no zu­kom­men liess, warn­ten die Re­vi­so­ren ins­be­son­de­re da­vor, die im letz­ten Feb­ru­ar be­schlos­se­nen Re­for­men ab­zu­schwä­chen: «Aus un­se­rer Sicht ist die recht­zei­ti­ge und er­folg­rei­che Um­set­zung der Re­for­men für den Ruf der Fi­fa von gröss­ter Be­deu­tung. Ein wich­ti­ges Ele­ment die­ser Re­for­men ist die Aus­ar­bei­tung der Go­ver­nan­ce-Re­geln, die in vol­lem Um­fang in den Geist der Re­for­men zu im­ple­men­tie­ren sind und zu einer kla­ren Tren­nung der po­li­ti­schen (stra­te­gi­schen) und der Ma­na­ge­ment-Funk­tio­nen füh­ren müs­sen.»

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Jede Ab­schwä­chung, in Form oder Sub­stanz, kön­ne die Fi­fa dem Ri­si­ko von ne­ga­ti­ven öf­fent­li­chen Re­ak­tio­nen aus­set­zen. Wei­ter heisst es: «Die KPMG un­ter­stützt die durch den aus­ser­or­dent­li­chen Kon­gress im Feb­ru­ar ge­neh­mig­ten Re­for­men und ist im Rah­men die­ser neu­en Re­ge­lung wei­ter­hin be­reit, sich in vol­lem Um­fang als un­ab­hän­gi­ge Re­vi­si­ons­stel­le der Fi­fa zu ver­pflich­ten.» Was als ul­ti­ma­ti­ve Dro­hung zu ver­ste­hen war, an­de­ren­falls das Man­dat nie­der­zu­le­gen. Kur­ze Zeit spä­ter kam es denn auch zu einer Aus­spra­che zwi­schen Ver­tre­tern der KPMG und der Fi­fa. An die­ser Sit­zung ver­bat sich In­fan­ti­no in bar­schem Ton je­de Ein­mi­schung. Er sag­te of­fen­bar auch, die KPMG ha­be als Dienst­lei­ste­rin kei­ne For­de­run­gen zu stel­len.

Am 16. Mai voll­zog die Fi­fa dann end­gül­tig eine Kehrt­wen­de: Sie er­liess an ih­rem Kon­gress in Me­xi­ko Be­schlüs­se, die die Po­si­ti­on der un­ab­hän­gi­gen Kon­troll­or­ga­ne deut­lich schwäch­ten. Und In­fan­ti­no gab an den Vor­be­rei­tungs­sit­zun­gen des Fi­fa-Rats un­miss­ver­ständ­lich zu ver­ste­hen, dass er sich, an­ders als noch im Feb­ru­ar vom ober­sten Fi­fa-Or­gan be­schlos­sen, als exe­ku­ti­ver Prä­si­dent ver­steht.

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In ih­rem Brief vom 2. Mai kri­ti­sier­te die KPMG einen zwei­ten, zen­tra­len Punkt, näm­lich In­fan­ti­nos Plan, den Län­der­ge­sell­schaf­ten hö­he­re Zu­schüs­se aus der Fi­fa-Kas­se zu­kom­men zu las­sen. Die KPMG wies dar­auf hin, dass da­mit er­neut Kor­rup­ti­ons­ri­si­ken be­stün­den: «Die Er­fah­rung der letz­ten zehn Jah­re hat ge­zeigt, dass in eini­gen Fäl­len die von der Fi­fa im Rah­men des Fi­nanz­hil­fe­pro­gramms zur Ver­fü­gung ge­stell­ten Mit­tel miss­braucht wur­den.» Dies vor al­lem, weil eini­ge der mit mehr Mit­tel zu ver­sor­gen­den Or­ga­ni­sa­tio­nen noch nicht in der La­ge oder wil­lens sei­en, das Geld auch wirk­lich im Sin­ne des Fuss­ball­sports aus­zu­ge­ben.

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Die Macht der Verbände

Auch hier er­teil­te die Fi­fa der KPMG mit ih­ren Be­schlüs­sen in Me­xi­ko eine deut­li­che Ab­sa­ge. Der Hin­ter­grund: Der in­zwi­schen zu­rück­ge­tre­te­ne Chef der Fi­nanz­auf­sicht, Do­me­ni­co Sca­la, hat­te im letz­ten Herbst den Fuss­ball­ver­bän­den von Nord- und Süd­ame­ri­ka die Mit­tel­zu­fuhr nach Kor­rup­ti­onss­kan­da­len ge­kappt. Des­halb war er bei eini­gen Ver­tre­tern der na­tio­na­len und re­gio­na­len Fuss­ball­ver­bän­de ein ro­tes Tuch. In der Vor­be­rei­tung des Fi­fa-Kon­gres­ses lan­cier­ten dar­um die Ver­tre­ter der re­gio­na­len Ver­bän­de eine Un­ter­schrif­ten­samm­lung, in der die Ab­set­zung Sca­las ver­langt wur­de. Gleich­zei­tig liess sich In­fan­ti­no vom Kon­gress das Recht ab­seg­nen, bei Be­darf Sca­la oder an­de­re Mit­glie­der der Fi­nanz­auf­sicht oder der Ethik­kom­mis­si­on ab­zu­set­zen. Auch soll nun die Ab­sicht, den Ver­bän­den mehr Mit­tel aus­zu­zah­len, um­ge­setzt wer­den.

Gegen­über dem «Ta­ges-An­zei­ger» woll­te die KPMG nicht mehr wei­ter Stel­lung neh­men. Sie schrieb auf An­fra­ge le­dig­lich: «Ge­mäss den ge­setz­li­chen Vor­ga­ben ha­ben wir den Prä­si­den­ten der Fi­fa mit Schrei­ben vom 9. Ju­ni 2016 über un­se­ren Rück­tritt und die Rück­tritts­grün­de in­for­miert.»

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