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Neue Missstände bei der IT-Beschaffung des Bundes

Die Verwaltungsstelle der AHV-Gelder hat Aufträge illegal vergeben. Mehrere Untersuchungen laufen.

Von Christian Brönnimann, Bern, und Philippe Reichen, Lausanne

Die Zentrale Aus­gleichs­stel­le (ZAS) in Genf steht im Zen­trum der neue­sten IT-Af­fä­re der Bun­des­ver­wal­tung. Zwei un­ver­öf­fent­lich­te Prüf­be­rich­te des in­ter­nen In­spek­to­rats, die dem TA vor­lie­gen, zei­gen, dass In­for­ma­tik­auf­trä­ge sys­te­ma­tisch wi­der­recht­lich ver­ge­ben wur­den. Nun durch­leuch­ten die Fi­nanz­kon­trol­leu­re des Bun­des die Prak­ti­ken. Zu­dem hat die Eid­ge­nös­si­sche Fi­nanz­ver­wal­tung, der die ZAS an­ge­glie­dert ist, zwei Ad­mi­ni­stra­tiv­un­ter­su­chun­gen ge­star­tet.

Aus den Prüf­be­rich­ten geht her­vor, dass et­li­che gros­se Auf­trä­ge ge­set­zes­wid­rig in vie­le klei­ne ge­stüc­kelt wur­den. So muss­ten sie nicht öf­fent­lich aus­ge­schrie­ben, son­dern konn­ten frei­hän­dig an die be­vor­zug­ten Fir­men ver­ge­ben wer­den. In meh­re­ren Pro­jek­ten lie­fen da­bei die Kos­ten aus dem Ru­der, oh­ne dass die Zie­le er­reicht wur­den. In einer in­ter­nen Zu­sam­men­stel­lung zie­hen frus­trier­te ZAS-Mit­ar­bei­ter ein ein­deu­ti­ges Fa­zit: Meh­re­re Mil­lio­nen öf­fent­li­cher Gel­der sei­en ver­schleu­dert wor­den oh­ne jeg­li­ches Re­sul­tat, schrei­ben sie.

Für die Ver­feh­lun­gen di­rekt ver­ant­wort­lich ist die ehe­ma­li­ge ZAS-Di­rek­to­rin Va­lé­rie Ca­ve­ro. Sie ist be­reits seit No­vem­ber nicht mehr im Amt. Ihr Rück­tritt er­folg­te, nach­dem ZAS-in­tern be­kannt ge­wor­den war, dass sie of­fen­bar mehr­mals in die Spe­sen­kas­se ge­grif­fen hat­te. Dem «Ta­ges-An­zei­ger» liegt ein Aus­zug aus der Buch­hal­tung vor, der be­legt, dass sie sich im letz­ten April 12'000 Fran­ken aus­zah­len liess als «Vor­schuss für Aus­bil­dungs­spe­sen». Ge­mäss meh­re­ren gut in­for­mier­ten Quel­len war dies nicht der ein­zi­ge un­ge­recht­fer­tig­te Spe­sen­be­zug.

Mitarbeiter waren machtlos

Die ZAS-Be­leg­schaft be­obach­te­te die Ver­feh­lun­gen der Chef­eta­ge seit län­ge­rem, stand ih­nen aber macht­los ge­gen­über. Wer ge­gen­über Di­rek­ti­ons­mit­glie­dern Prob­le­me an­sprach, ris­kier­te, von ih­nen ge­ring­ge­schätzt zu wer­den. Meh­re­re Mit­ar­bei­ter spre­chen un­ab­hän­gig von­ein­an­der da­von, dass Kol­le­gen von Vor­ge­setz­ten ge­mobbt oder ge­gen­über an­de­ren un­gleich be­han­delt wur­den.

Jean-Pier­re Kuhn, ZAS-Di­rek­tor ad in­ter­im, schreibt auf An­fra­ge, beim Be­schaf­fungs­we­sen sei­en be­reits neue Re­geln ein­ge­führt wor­den. Seit dem 1. Ja­nu­ar 2014 wür­den die Ge­set­ze re­spek­tiert, be­teu­ert Kuhn.

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Das muss der letzte Weckruf sein

Philippe Reichen
Ph. Reichen
Kommentar Philippe Reichen, Korrespondent für die Westschweiz, über den Informatikskandal bei der AHV.

Nach dem In­for­ma­tik­de­ba­kel In­sie­me und der Kor­rup­ti­ons­af­fä­re im Se­co steht der Bun­des­ver­wal­tung der näch­ste In­for­ma­tiks­kan­dal ins Haus. TA-Re­cher­chen zei­gen, dass auch die Zen­tra­le AHV-Aus­gleichs­stel­le (ZAS) in Genf in den letz­ten Jah­ren Mil­lio­nen­be­trä­ge in Soft­wa­re­pro­jek­te in­ves­tier­te, oh­ne die Auf­trä­ge aus­zu­schrei­ben. Da­bei wä­re dies ge­setz­lich vor­ge­schrie­ben. Et­li­che die­ser Pro­jek­te wur­den mitt­ler­wei­le er­geb­nis­los ab­ge­bro­chen.

Dies­mal stammt das ver­schleu­der­te Geld nicht aus Steu­er­ein­nah­men (In­sie­me) oder der Ar­beits­lo­sen­kas­se (Se­co), son­dern aus dem AHV-Topf. Doch zum drit­ten Mal stellt sich die Fra­ge: Wer trägt die Ver­ant­wor­tung? Das Fi­nanz­de­par­te­ment er­war­te­te of­fen­sicht­lich nicht, dass ein Dienst­lei­stungs­un­ter­neh­men wie die ZAS zu sol­chen Ver­feh­lun­gen fä­hig wä­re. Es ge­währ­te der Gen­fer Fi­lia­le gros­se Frei­hei­ten. So konn­te ZAS-Di­rek­to­rin Va­lé­rie Ca­ve­ro mit einem Glo­bal­bud­get han­tie­ren. Und als es zwi­schen Genf und Bern zu Dif­fe­ren­zen kam, ent­schied der Bun­des­rat, die ZAS kön­ne sich künf­tig selbst um Soft­wa­re­lö­sun­gen küm­mern. Bis da­hin hat­ten die Gen­fer mit Bern zu­sam­men­ar­bei­ten müs­sen. Die ZAS miss­brauch­te die noch grös­se­ren Frei­hei­ten, in­dem sie Ge­set­ze auf plum­pe Art und Wei­se um­ging. Die Be­rich­te der in­ter­nen In­spek­to­ren, die dem TA vor­lie­gen, be­nen­nen Wi­der­recht­lich­kei­ten ein­deu­tig. Doch die ZAS-Di­rek­ti­on ver­moch­te die Wei­ter­ga­be der Be­rich­te lan­ge Zeit zu ver­hin­dern. Ser­ge Gail­lard, Chef der Fi­nanz­ver­wal­tung, be­kam sie sehr spät zu Ge­sicht. Gail­lard steht nach dem Kor­rup­ti­ons­skan­dal beim Se­co be­reits zum zwei­ten Mal in der Mit­ver­ant­wor­tung. Er muss die Vor­fäl­le ri­go­ros auf­klä­ren. Auch die Rol­le der Fi­nanz­kon­trol­le ge­hört the­ma­ti­siert, weil sie sich nach dem Er­halt des ers­ten Be­richts fast ein hal­bes Jahr Zeit liess, bis sie ein­griff.

Die Rech­nun­gen all die­ser Nach­läs­sig­kei­ten be­zahlt das Volk. Das Ver­trau­en in die Bun­des­ver­wal­tung — bis an­hin für vie­le Bür­ger der In­be­griff hel­ve­ti­scher In­te­gri­tät — ist er­schüt­tert. Wenn es noch eines letz­ten Be­wei­ses be­durft hät­te, dass der Bund sein Be­schaf­fungs­we­sen stren­ger kon­trol­lie­ren muss: Die AHV-Aus­gleichs­stel­le hat ihn nun ge­lie­fert.

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Verstoss gegen das Beschaffungsrecht

AHV-Millionen im IT-Sumpf

Die Zentrale Ausgleichsstelle (ZAS), wo die Milliarden der AHV verwaltet werden, hat systematisch gegen das Beschaffungsrecht verstossen. Die ZAS-Direktorin Valérie Cavero musste gehen.

SCHAAD
Von Christian Brönnimann, Bern,
und Philippe Reichen, Lausanne

Das En­de von Va­lé­rie Ca­ve­ros Kar­rie­re kam ab­rupt. An­fang No­vem­ber 2013 raun­te man sich auf den Flu­ren der Zen­tra­len Aus­gleichs­stel­le (ZAS) in Genf zu, die Di­rek­to­rin müs­se ab­tre­ten — per so­fort. Ca­ve­ro hat­te 800 Mit­ar­bei­ter un­ter sich und war ober­ste Ver­wal­te­rin des Volks­ver­mö­gens der AHV.

Die ZAS-in­ter­nen In­spek­to­ren wa­ren wie­der­holt auf schwe­re Män­gel und frag­wür­di­ge Prak­ti­ken ge­stos­sen. So hat­te Ca­ve­ro zu­ge­las­sen, dass die ZAS meh­re­re Mil­lio­nen Fran­ken teu­re In­for­ma­tik­pro­jek­te ge­set­zes­wid­rig frei­hän­dig, al­so di­rekt an Un­ter­neh­men ver­gab; sie wuss­te auch oder sorg­te gar da­für, dass deut­lich zu teu­er ge­wor­de­ne oder ge­schei­ter­te IT-Pro­jek­te ka­schiert wur­den und ein­zel­ne Pro­jek­te nur einem klei­nen Kreis be­kannt wa­ren; und sie hat­te die von der in­ter­nen In­spek­ti­on an­ge­mahn­ten Män­gel beim Rech­nungs­kon­troll- und Zah­lungs­sys­tem nicht be­ho­ben.

Nach den vom «Ta­ges-An­zei­ger» auf­ge­deck­ten Ver­feh­lun­gen im Staats­sek­re­ta­ri­at für Wirt­schaft (Se­co) ge­rät da­mit er­neut eine Bun­des­stel­le in ein schie­fes Licht, die die Ab­ga­ben von Ar­beit­neh­mern und -ge­bern ver­wal­tet. Trotz der Ver­schleu­de­rung von Mil­lio­nen­be­trä­gen aus der AHV-Kas­se muss­te Ca­ve­ro die ZAS am En­de aber wohl aus einem an­de­ren Grund ver­las­sen: Sie hat­te oh­ne An­ga­be von nach­voll­zieh­ba­ren Grün­den in die Spe­sen­kas­se ge­grif­fen.

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Reise zur Möbelausstellung

Gemäss einem Buch­hal­tungs­be­leg, der dem «Ta­ges-An­zei­ger» vor­liegt, liess sich Ca­ve­ro am 3. April 2013 rund 12'000 Fran­ken aus­hän­di­gen. Beim Be­zug steht: «Vor­schuss für Aus­bil­dungs­spe­sen». Die 12'000 Fran­ken zahl­te die Di­rek­to­rin erst zu­rück, als sie er­heb­lich un­ter Druck ge­ra­ten war — kurz vor ih­rem Ab­gang. Aber auch sonst war­fen ih­re Spe­sen­rech­nun­gen Fra­gen auf. Ein­mal soll sie ge­mäss gut in­for­mier­ten Quel­len auf ZAS-Kos­ten mit ih­rer Sek­re­tä­rin nach Stock­holm an eine Mö­bel­aus­stel­lung ge­reist sein. Und sie soll ih­rer per­sön­li­chen As­si­sten­tin, einer Stu­den­tin, einen 25'000 Fran­ken teu­ren Kurs in «Lu­xus­ma­na­ge­ment» fi­nan­ziert ha­ben.

Am En­de war es Va­lé­rie Ca­ve­ro selbst, die die Be­leg­schaft am 12. No­vem­ber 2013 über ih­ren so­for­ti­gen Ab­gang in­for­mier­te. Die Nach­richt schlug in der ZAS wie ein Blitz ein. Da­nach war­te­ten al­le auf den Don­ner. Aber Ca­ve­ro durf­te die ZAS of­fi­zi­ell oh­ne Ne­ben­ge­räu­sche ver­las­sen. Da­bei half ihr auch ihr Vor­ge­setz­ter, Ser­ge Gail­lard, Chef der Eid­ge­nös­si­schen Fi­nanz­ver­wal­tung. Die­ser teil­te der Be­leg­schaft ge­mäss meh­re­ren Quel­len in einer Rund­mail mit, die Di­rek­to­rin ge­he auf eige­nen Wunsch. Eine Pres­se­mit­tei­lung für die Öf­fent­lich­keit ver­schick­te die Fi­nanz­ver­wal­tung nicht.

Nach der in­tern ver­kün­de­ten De­mis­si­on ging Va­lé­rie Ca­ve­ro noch min­des­tens 14 Ta­ge in ih­rem Bü­ro ein und aus — of­fi­zi­ell für Auf­räum­ar­bei­ten. Ein ZAS-Mit­ar­bei­ter er­kun­dig­te sich schliess­lich bei der Eid­ge­nös­si­schen Fi­nanz­kon­trol­le (EFK), ob dies zu­läs­sig sei. Die EFK riet, den Si­cher­heits­ver­ant­wort­li­chen ein­zu­schal­ten, der Ca­ve­ros Zu­gangs­bad­ge sper­ren müs­se. Doch dies ge­schah nicht um­ge­hend. Selbst am 2. De­zem­ber wur­de sie noch im Ge­bäu­de ge­sich­tet.

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Verstösse waren die Regel

Zu ver­stec­ken hat Ca­ve­ro eini­ges. Dem «Ta­ges-An­zei­ger» lie­gen zwei un­ver­öf­fent­lich­te Prüf­be­rich­te des ZAS-in­ter­nen In­spek­to­rats vor. Sie zei­gen: In ge­wis­sen Pro­jek­ten wa­ren Ver­stös­se ge­gen das Be­schaf­fungs­recht nicht die Aus­nah­me, son­dern die Re­gel. Die Be­rich­te le­sen sich stel­len­wei­se wie eine An­lei­tung, wie das Ge­setz um­gan­gen wer­den kann, wenn kei­ne Kon­trol­le exi­stiert.

Der erste Be­richt da­tiert von An­fang März 2013. Das In­spek­to­rat un­ter­such­te die Be­schaf­fun­gen bei vier IT-Pro­jek­ten. Zwei Rechts­ver­let­zun­gen ste­chen be­son­ders ins Auge: Ers­tens hät­te die ZAS vie­le Be­schaf­fun­gen gar nicht selbst durch­füh­ren dür­fen. Ge­mäss Ge­setz hät­ten sie über das Bun­des­amt für Bau­ten und Lo­gis­tik, die zen­tra­le Be­schaf­fungs­stel­le der Ver­wal­tung, ab­ge­wic­kelt wer­den müs­sen. Zwei­tens hat die ZAS vie­le grös­se­re Auf­trä­ge in klei­ne­re bis zum Wert von 150'000 Fran­ken ge­stüc­kelt. Dies ist einer der Schwel­len­wer­te für frei­hän­di­ge Ver­ga­ben. So konn­ten öf­fent­li­che Aus­schrei­bun­gen um­gan­gen und Auf­trä­ge di­rekt an die ge­wünsch­ten Fir­men ver­ge­ben wer­den.

Besonders um­fang­reich sind die Ver­stös­se beim 6-Mil­lio­nen-Pro­jekt Alex­si. Der Be­richt zählt 15 Auf­trä­ge an ver­schie­de­ne Fir­men auf, die zwi­schen De­zem­ber 2011 und Ju­li 2012 frei­hän­dig ver­ge­ben wur­den. Vie­le da­von ha­ben ein Kos­ten­dach von ge­nau 150'000 Fran­ken. Dem In­spek­to­rat war es ein Leich­tes, den Schluss zu zie­hen, dass et­li­che Auf­trä­ge in­halt­lich zu­sam­men­ge­hö­ren und des­halb die Stüc­ke­lung wi­der­recht­lich war. Das glei­che Mus­ter wird auch bei zwei der an­de­ren Pro­jek­te fest­ge­stellt.

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«Im Prinzip unsichtbar»

Als Vor­sichts­mass­nah­me wur­den Pro­jek­te wie das mitt­ler­wei­le ge­schei­ter­te Alex­si in­tern ge­heim ge­hal­ten. Der ZAS-In­for­ma­tik­chef be­zeich­ne­te Alex­si in einer Sit­zung der In­for­ma­tik­kom­mis­si­on als «im Prin­zip un­sicht­bar». Ge­mäss Sit­zungs­pro­tokoll vom 9. Ok­to­ber 2012, das dem «Ta­ges-An­zei­ger» eben­falls vor­liegt, hielt er fest, die­ser Typ Pro­jekt wer­de in Zu­kunft nur durch den «Mit­tels­mann des Pro­jekt­por­te­feuil­les» prä­sen­tiert.

Im zwei­ten Be­richt, der sich im Ent­wurfs­sta­di­um be­fin­det, sind die Ab­läu­fe und Kos­ten­über­schrei­tun­gen bei fünf IT-Pro­jek­ten do­ku­men­tiert. Dem­nach wur­den vie­le Ver­trä­ge mit ex­ter­nen Fir­men von Ca­ve­ro und ih­rem In­for­ma­tik­chef un­ter­zeich­net, oh­ne dass die zu­stän­di­ge In­for­ma­tik­kom­mis­si­on dar­über be­fin­den konn­te. Eine Kon­trol­le von Um­fang und Recht­mäs­sig­keit der Auf­trä­ge und Zah­lun­gen fand nicht statt.

Das Kon­troll­va­ku­um führ­te da­zu, dass die ZAS in zwei Fäl­len so­gar Rech­nun­gen be­zahl­te, die die ur­sprüng­li­chen Auf­trags­vo­lu­men deut­lich über­stie­gen. Im Rah­men des Pro­jekts Si­tax wur­den einer ex­ter­nen Fir­ma bis En­de 2012 fast 130'000 Fran­ken aus­be­zahlt, oh­ne dass da­für ein Ver­trag ab­ge­schlos­sen wor­den wä­re. Beim Pro­jekt EESSI be­trägt die Dif­fe­renz zwi­schen Auf­trags- und Rech­nungs­sum­me gut 60'000 Fran­ken.

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Angesichts der fest­ge­stell­ten Män­gel er­staunt es kaum, dass die Kos­ten aus dem Ru­der lie­fen. Be­son­ders gross ist die Kos­ten­stei­ge­rung im Pro­jekt Da­ta­mat­rix. Ge­gen­über dem ur­sprüng­li­chen An­trag ver­vier­fach­te sich das Bud­get in­ner­halb von drei Jah­ren auf 1,8 Mil­lio­nen Fran­ken. Doch trotz der ho­hen Aus­ga­ben funk­tio­nie­ren die Sys­te­me der ZAS nicht wie ge­wünscht. Eine an­de­re IT-Fir­ma muss nun Da­ta­mat­rix fer­tig­stel­len. Die Kos­ten dürf­ten am En­de 2,3 Mil­lio­nen Fran­ken be­tra­gen.

Inkompetenz und Ineffizienz

Die unzu­frie­de­ne Be­leg­schaft hat sich im letz­ten Mo­nat in einem in­ter­nen Schrei­ben Luft ver­schafft. Et­li­che Pro­jek­te, un­ter an­de­rem Alex­si, be­zeich­nen sie da­rin als «Fehl­schlag». Ins­ge­samt sei­en im In­for­ma­tik­be­reich meh­re­re Mil­lio­nen Fran­ken öf­fent­li­cher Gel­der ver­schleu­dert wor­den. Den Grund se­hen die ZAS-Mit­ar­bei­ter in der In­ef­fi­zi­enz und der In­kom­pe­tenz der eige­nen In­for­ma­tik­ab­tei­lung. Von 100 Per­so­nen — vie­le von ih­nen wur­den erst in den letz­ten Jah­ren von ex­ter­nen Fir­men ge­holt — sei­en le­dig­lich 35 «pro­duk­tiv» im Ein­satz, rech­nen sie vor. De­mo­ti­va­ti­on, Mob­bing und feh­len­de Per­spek­ti­ven sei­en wei­te­re Prob­le­vme.

Die Miss­stän­de sind schon lan­ge be­kannt. In einem Brief an die Mit­glie­der be­rich­te­te der Per­sonal­ver­band der Bun­des­ver­wal­tung be­reits im Früh­jahr 2012 von der schlech­ten Stim­mung und von un­ge­recht­fer­tig­ten Ent­las­sun­gen in der In­for­ma­tik­ab­tei­lung der ZAS. Ge­rügt wird ins­be­son­de­re der re­spekt­lo­se Um­gang mit lang­jäh­ri­gen Mit­ar­bei­tern.

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Finanzkontrolle reagierte spät

Es dauer­te meh­re­re Mo­na­te, bis die Eid­ge­nös­si­sche Fi­nanz­kon­trol­le auf die Zu­stän­de in Genf re­agier­te. Zwar er­hielt sie ge­mäss de­ren Prä­si­den­ten Mi­chel Huis­soud Mit­te März 2013 Kennt­nis vom ers­ten er­wähn­ten Prüf­be­richt. Eige­ne Ab­klä­run­gen nahm die EFK aber erst nach wei­te­ren Hin­wei­sen im August an die Hand. Im Ok­to­ber wand­te sich die EFK in einem Schrei­ben an Ca­ve­ro und an ih­ren Vor­ge­setz­ten Gail­lard. Ge­mäss Huis­soud ent­hielt das ver­trau­li­che Schrei­ben «Emp­feh­lun­gen im Per­so­nal­we­sen». Es ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die EFK Ca­ve­ro den Ab­gang na­he­leg­te.

Derzeit läuft eine wei­te­re Prü­fung der EFK. Meh­re­re Mit­ar­bei­ter durch­leuch­ten vor Ort in Genf die Be­schaf­fun­gen im IT-Be­reich. Er­klär­tes Ziel ist es, die Prü­fung En­de März ab­zu­schlies­sen und den Be­richt noch vor den Som­mer­fe­ri­en zu ver­öf­fent­li­chen.

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Reaktionen

Zwei Untersuchungen laufen

Finanz­ver­wal­tung und Aus­gleichs­stel­le be­to­nen, be­reits Kon­se­quen­zen ge­zo­gen zu ha­ben.

Kon­kre­te Fra­gen zu den Ge­scheh­nis­sen der letz­ten Jah­re be­ant­wor­tet die Zen­tra­le Aus­gleichs­stel­le (ZAS) der­zeit nicht. In einer Stel­lung­nah­me ver­weist sie auf lau­fen­de Un­ter­su­chun­gen. Ser­ge Gail­lard, Chef der Eid­ge­nös­si­schen Fi­nanz­ver­wal­tung (EFV), hat gleich zwei Ad­mi­ni­stra­tiv­un­ter­su­chun­gen an­ge­ord­net. Laut Aus­kunft sei­nes Spre­chers be­fasst sich die eine mit den In­for­ma­tik­be­schaf­fun­gen, die an­de­re mit der Da­ten­si­cher­heit in der ZAS.

Als So­fort­mass­nah­me wur­den auf An­fang 2014 neue Kom­pe­tenz­re­geln ein­ge­führt. Ge­mäss dem Spre­cher muss die ZAS neu al­le Be­schaf­fun­gen über dem WTO-Schwel­len­wert von der Fi­nanz­ver­wal­tung ab­seg­nen las­sen.

Von den Un­ter­su­chun­gen des in­ter­nen ZAS-In­spek­to­rats will die Fi­nanz­ver­wal­tung erst «im Rah­men der Me­di­en­be­richt­er­stat­tung» er­fah­ren ha­ben. Im Feb­ru­ar mach­te «24 Heu­res» den Ab­gang der ZAS-Di­rek­to­rin Va­lé­rie Ca­ve­ro und Un­re­gel­mäs­sig­kei­ten im Be­schaf­fungs­we­sen pub­lik. Die Be­rich­te des ZAS-In­spek­to­rats sel­ber se­he die Fi­nanz­ver­wal­tung aber «in der Re­gel nicht», schreibt der Spre­cher. Dass im No­vem­ber nicht ak­tiv über den Ab­gang Ca­ve­ros in­for­miert wor­den sei, be­grün­det die EFV im Wei­te­ren da­mit, dass Ca­ve­ro kei­ne Amts­di­rek­to­rin war, son­dern «auf der glei­chen Ebe­ne wie ein Ab­tei­lungs­lei­ter» stand. Ak­tiv wür­den Ab­gän­ge nur kom­mu­ni­ziert, wenn es sich um vom Bun­des­rat ge­wähl­te Per­so­nen hand­le.

Keine externen Kader mehr

In ih­rer Stel­lung­nah­me ver­weist auch die ZAS auf Mass­nah­men, die An­fang Jahr ein­ge­führt wur­den. Da­zu ge­hört ein for­ma­li­sier­tes Be­schaf­fungs­pro­ze­de­re, eine neue Be­schaf­fungs­kom­mis­si­on, der auch ein spe­zia­li­sier­ter Ju­rist an­ge­hört, so­wie eine «si­gni­fi­kan­te» Re­duk­ti­on der Zahl ex­ter­ner Mit­ar­bei­ter im In­for­ma­tik­be­reich. Ka­der­po­si­tio­nen sol­len zu­dem neu nur noch von in­ter­nen Mit­ar­bei­tern be­setzt wer­den. Und ex­ter­ne Tem­po­rär­mit­ar­bei­ter sol­len neu nur noch über eine of­fe­ne Aus­schrei­bung an­ge­stellt wer­den.

Die im No­vem­ber 2013 ab­ge­tre­te­ne Va­lé­rie Ca­ve­ro war für eine Stel­lung­nah­me nicht zu er­rei­chen.
(bro/phr)

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Zentrale Ausgleichsstelle

Ein Satellit auf eigener Umlaufbahn

Die Zen­tra­le Aus­gleichs­stel­le ver­wal­tet die Mil­li­ar­den der AHV — und hat eine er­heb­li­che Auto­no­mie.

Die Zen­tra­le Aus­gleichs­stel­le (ZAS) ist dem Eid­ge­nös­si­schen Fi­nanz­de­par­te­ment (EFD) an­ge­glie­dert. Dort galt die Gen­fer Aus­sen­stel­le bis­her als auto­no­mer Sa­tel­lit mit fes­tem Leis­tungs­auf­trag. So­lan­ge in Bern kei­ne Be­an­stan­dun­gen durch die Fi­nanz­kon­trol­le oder sons­ti­ge Kla­gen, et­wa we­gen nicht über­wie­se­ner Al­ters­ren­ten, ein­gin­gen, liess man die Leu­te in Genf in Ru­he. Die Fi­nanz­kon­trol­le mel­de­te wäh­rend Jah­ren: «Für den Bun­des­rat be­steht kein Hand­lungs­be­darf.»

Zur ZAS ge­hö­ren ver­schie­de­ne Un­ter­ein­hei­ten wie die Eid­ge­nös­si­sche Aus­gleichs­kas­se, die Fa­mi­li­en­aus­gleichs­kas­se, die Schwei­ze­ri­sche Aus­gleichs­kas­se und die IV-Stel­le für Ver­sicher­te im Aus­land. Ih­re Auf­ga­be be­steht haupt­säch­lich da­rin, die AHV- und IV-Bei­trä­ge zu ver­wal­ten: jähr­lich über 50 Mil­li­ar­den Fran­ken. Für den eige­nen Be­trieb mit ge­gen 800 Mit­ar­bei­tern ver­fügt sie über ein Glo­bal­bud­get von rund 140 Mil­lio­nen Fran­ken. Die ZAS wird zu 90 Pro­zent aus AHV-Gel­dern fi­nan­ziert.

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Die im No­vem­ber 2013 ab­ge­tre­te­ne Di­rek­to­rin Va­lé­rie Ca­ve­ro hat­te die ZAS am 1. Sep­tem­ber 2004 über­nom­men. Sie wur­de von Pe­ter Sie­gen­tha­ler, dem da­ma­li­gen Di­rek­tor der Eid­ge­nös­si­schen Fi­nanz­ver­wal­tung, vor­ge­schla­gen und vom ehe­ma­li­gen Fi­nanz­mi­nis­ter Hans-Ru­dolf Merz be­stä­tigt. Die Ju­ris­tin hat­te es da­mit acht Jah­re nach ih­rem Ein­tritt an die Spit­ze der ZAS ge­schafft.

Genfer und Berner stritten sich

In den letz­ten Jah­ren be­gan­nen sich die Di­rek­to­rin und ih­re Ab­tei­lungs­chefs im­mer wei­ter vom EFD zu ent­fer­nen: ins­be­son­de­re was den Wunsch nach Er­neue­rung und Wei­ter­ent­wick­lung ih­rer IT-Sys­teme be­traf. «Zwi­schen den Gen­fern und den Ber­nern gab es kul­tu­rel­le Grä­ben. Die Gen­fer wei­ger­ten sich, ih­re Zie­le of­fen­zu­le­gen», sagt ein In­si­der. Das führ­te da­zu, dass die ZAS IT-Pro­jek­te zu­neh­mend in eige­ner Ini­tia­ti­ve und oh­ne Kennt­nis von Bern lan­cier­te.

En­de März 2012 ge­stand der Bun­des­rat der ZAS schliess­lich einen Son­der­sta­tus zu. Sie durf­te ihre Leis­tun­gen für die Wei­ter­ent­wick­lung ih­rer IT for­tan selbst er­brin­gen und muss­te da­für nicht mehr mit dem Bun­des­amt für In­for­ma­tik und Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on (BIT) zu­sam­men­ar­bei­ten.
(phr/bro)

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