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Beschaffungsskandale

Der Gute sieht das Böse nicht

Serge Gaillard, Chef der Eidgenössischen Finanzverwaltung und Ex-Gewerkschaftsführer, steht wegen Informatikaffären unter Druck. Ein ZAS-Mitarbeiter hat ihn gar wegen Amtsmissbrauchs angezeigt. — Ein Porträt von Philippe Reichen

Die Wen­de kommt un­er­war­tet. Im Ju­li 2012 prä­sen­tier­te Bun­des­rä­tin Eve­li­ne Wid­mer-Schlumpf Ser­ge Gail­lard als neu­en Chef der Eid­ge­nös­si­schen Fi­nanz­ver­wal­tung. Die Fi­nanz­mi­ni­ste­rin und Gail­lard strahl­ten vor ver­sam­mel­ter Pres­se um die Wet­te. Bei­de mit gu­tem Grund: Der ehe­ma­li­ge Spit­zen­ge­werk­schaf­ter hat­te sich in fünf Jah­ren von der Lei­tung der Di­rek­ti­on für Ar­beit in­ner­halb der Bun­des­ver­wal­tung zu einem Pre­sti­ge­pos­ten em­por­ge­ar­bei­tet. Die Bun­des­rä­tin wie­der­um hat­te sich die Dien­ste eines rhe­to­risch be­schla­ge­nen, blitz­ge­schei­ten Öko­no­men ge­si­chert, der zwar lin­ken Wirt­schafts­theo­ri­en an­hängt, bei dem sie aber si­cher sein konn­te, dass er ih­re Ent­schei­de loy­al um­setzt.

Serge Gaillard

Und dann dies: Der 59-Jäh­ri­ge muss gleich für zwei grös­se­re Af­fä­ren beim Bund ge­ra­de­ste­hen. Bei­de be­tref­fen das In­for­ma­tik­we­sen und sind so weit auf­ge­ar­bei­tet, dass sich fest­stel­len lässt: Der über die Par­tei­gren­zen hin­weg ge­schätz­te So­zi­al­de­mo­krat hin­ter­lässt in bei­den Fäl­len einen we­nig sou­ve­rä­nen Ein­druck. Im Kor­rup­ti­ons­fall beim Staats­se­kre­ta­ri­at für Wirt­schaft (Se­co), wo Gail­lard von 2007 bis 2012 die Di­rek­ti­on für Ar­beit lei­te­te, konn­te sich ein Mit­ar­bei­ter bei In­for­ma­tik­be­schaf­fun­gen wäh­rend Jah­ren per­sön­lich be­rei­chern. Der di­rek­te Vor­ge­setz­te des Fehl­ba­ren war ge­sund­heit­lich an­ge­schla­gen und mit sei­nem Pos­ten über­for­dert, er kon­trol­lier­te den ihm Un­ter­stell­ten nicht. Trotz­dem än­der­te Gail­lard nichts an der Füh­rungs­struk­tur, weil er den Ab­tei­lungs­lei­ter nicht des­avou­ie­ren woll­te. Das Be­schaf­fungs­recht war der­weil fak­tisch aus­ser Kraft ge­setzt.

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Dasselbe ge­schah bei der Zen­tra­len Aus­gleichs­stel­le (ZAS) in Genf, der wich­tig­sten AHV-Zahl­stel­le der Schweiz. Auch da wur­den seit 2012 IT-Pro­jek­te durch­ge­hend un­ter der Hand ver­ge­ben. Auch hier merk­te Gail­lard, der als Di­rek­tor der Eid­ge­nös­si­schen Fi­nanz­ver­wal­tung die ZAS be­auf­sich­tigt, nichts von il­le­ga­len Ma­chen­schaf­ten. Bis ZAS-An­ge­stell­te als Whist­le­blo­wer an Gail­lard und vor al­lem die Eid­ge­nös­si­sche Fi­nanz­kon­trol­le her­an­tra­ten und die Rechts­brü­che nach und nach ans Licht ka­men.

Operation gegen den Chef

Die Affären seien wohl «pri­mär Pech», be­ur­teilt Ge­rold Büh­rer die Si­tua­ti­on. Der ehe­ma­li­ge FDP-Na­tio­nal­rat und Ex-Prä­si­dent des Wirt­schafts­dach­ver­bands Eco­no­mie­suis­se hat Gail­lard wäh­rend sei­ner Zeit als Chef­öko­nom des Schwei­ze­ri­schen Ge­werk­schafts­bun­des ken­nen und schät­zen ge­lernt. Er kön­ne Gail­lards Füh­rungs­qua­li­tä­ten zwar nicht be­ur­tei­len, aber hal­te ihn für einen «sehr gu­ten Öko­no­men», der oh­ne par­tei­po­li­ti­sche Ran­kü­ne auf­tre­te. Für Ma­ria Ber­na­sco­ni, SP-Na­tio­nal­rä­tin und Ge­ne­ral­se­kre­tä­rin des Per­so­nal­ver­bands des Bun­des (PVB), meis­tert Gail­lard eine «schwie­ri­ge Si­tua­ti­on nach bes­tem Wis­sen und Wil­len». Für die Si­tua­ti­on bei der ZAS kön­ne er nichts, son­dern müs­se Alt­las­ten ab­bau­en, sagt die Gen­fer Na­tio­nal­rä­tin. So sieht das auch Re­né-Si­mon Mey­er, PVB-Prä­si­dent und Sek­tions­chef bei der ZAS. Die Miss­stän­de sei­en von Bern aus schwie­rig aus­zu­ma­chen ge­we­sen, sagt Mey­er. Die Ver­stös­se hät­ten auf­fal­len müs­sen, es gab ge­nug Hin­wei­se. Je­den­falls sei Gail­lard mitt­ler­wei­le öf­ter in Genf an­zu­tref­fen als je ein Di­rek­tor der Fi­nanz­ver­wal­tung vor ihm. Der Zu­ger SVP-Na­tio­nal­rat Tho­mas Aeschi, der die ZAS mit einer Sub­kom­mis­si­on der Fi­nanz­kom­mis­si­on vor we­ni­gen Ta­gen be­sucht hat, bleibt skep­tisch, ob Gail­lard eine schnel­le Wen­de her­bei­füh­ren kann. Er sagt: «Ich er­ken­ne die bes­ten Ab­sich­ten, die IT-Si­tua­ti­on bei der ZAS zu lö­sen. Aber die Prob­le­me sind gra­vie­rend, und eine schnel­le Lö­sung ist nicht in Sicht.»

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Trotz Rück­halt für Gail­lard stel­len sich Fra­gen: Hat­te er wirk­lich nur Pech? Oder sieht der Gu­te das Bö­se nicht? Ver­traut er sei­nen An­ge­stell­ten blind? Re­agiert er in Kri­sen­si­tua­tio­nen zu we­nig kon­se­quent? Der Zür­cher Rechts­pro­fes­sors Urs Sa­xer, der den Kor­rup­tions­fall im Se­co un­ter­such­te, stellt fest: Gail­lard hät­ten die Ge­set­zes­ver­let­zun­gen auf­fal­len müs­sen, und er hät­te auch die Be­rei­che­rung be­mer­ken kön­nen, Hin­wei­se gab es ge­nug. Er schreibt: «Die Hin­wei­se hät­ten nicht di­rekt zur Auf­dec­kung un­recht­mäs­si­ger Ver­hal­tens­wei­sen (…) füh­ren müs­sen, aber in je­dem Fall eine in­ten­si­ve­re Kon­trol­le des be­tref­fen­den Be­reichs und sei­nes Lei­ters na­he­ge­legt.»

Bei der Nicht­be­ach­tung von Aus­schrei­bungs­pflich­ten ha­be Gail­lard eine Mit­ver­ant­wor­tung ein­ge­räumt, so Sa­xer. Gail­lard be­stä­tigt: «Aus heu­ti­ger Sicht ha­be ich dem Be­schaf­fungs­we­sen zu we­nig Auf­merk­sam­keit ge­schenkt. Ich ging da­von aus, dass die recht­li­chen Vor­ga­ben ein­ge­hal­ten wa­ren. Bis ins Jahr 2010 war das Be­schaf­fungs­we­sen auch kein gros­ses The­ma.» Auch bei der ZAS hat Gail­lard von Prob­le­men im Be­schaf­fungs­we­sen zu­nächst nichts ge­merkt. Kam da­zu, dass die ZAS-Ge­schäfts­lei­tung um die ehe­ma­li­ge Di­rek­to­rin Va­lé­rie Ca­ve­ro ge­gen ihn ar­bei­te­te. Das zeigt ein E-Mail des Sek­ti­ons­lei­ters C. K., das dem TA vor­liegt. Gail­lard ver­lang­te von der ZAS-Di­rek­ti­on im Herbst 2013, dass sie nicht mehr so vie­le ex­ter­ne In­for­ma­tik­spe­zia­lis­ten tem­po­rär an­stellt, son­dern IT-Ex­per­ten mit Ar­beits­ver­trä­gen fix an sich bin­det. Als der Bud­get­ent­wurf vor­lag, ver­lang­te er ent­spre­chen­de Kor­rek­tu­ren. Die Di­rek­ti­on war mit dem Ent­scheid of­fen­sicht­lich nicht ein­ver­stan­den und ver­such­te, Gail­lard zu hin­ter­ge­hen. So schrieb C. K. am 23. Sep­tem­ber 2013 an den IT-Chef und an Di­rek­to­rin Ca­ve­ro: «Es gibt kei­nen Grund, von un­se­rer Stra­te­gie ab­zu­rüc­ken. Ich er­in­ne­re noch ein­mal dar­an, dass, wenn das Bud­get nicht rei­chen soll­te, wir im­mer noch Re­ser­ven nut­zen oder Zu­satz­kre­di­te ver­lan­gen kön­nen. Aus mei­ner Sicht gibt es kei­ne Fi­nan­zie­rungs­prob­le­me, die Mit­tel dec­ken un­se­ren Be­darf.» Gail­lard dürf­te von der Ope­ra­ti­on ge­gen ihn nichts be­merkt ha­ben. Denn der Sek­ti­ons­chef C. K. wur­de mitt­ler­wei­le so­gar be­för­dert — mit Gail­lards Zu­stim­mung. Die­ser sagt, er ha­be in sei­nen Mit­ar­bei­ter «vol­les Ver­trau­en».

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Er kann auch anders

Jean-Daniel Ger­ber, bis 2011 Se­co-Chef, lobt trotz der Vor­komm­nis­se das Men­schen­bild sei­nes ehe­ma­li­gen Mit­ar­bei­ters. «Ser­ge Gail­lard hat eine po­si­ti­ve Le­bens­auf­fas­sung. Er ist ein treu­er Staats­die­ner, der sei­nen Mit­ar­bei­tern ver­traut. Die­ses Ver­trau­en wur­de von Ein­zel­nen miss­braucht, das ist scha­de für Gail­lard», ur­teilt Ger­ber.

Menschen­freund Gail­lard kann auch an­ders. Ge­gen einen ZAS-Mit­ar­bei­ter, des­sen An­walt dem TA er­öff­ne­te, sein Klient ha­be sich als Whist­le­blo­wer an die eid­ge­nös­si­sche Fi­nanz­kon­trol­le ge­wandt und ihr ge­hol­fen, die Miss­stän­de auf­zu­dec­ken, hat er bei der Bun­des­an­walt­schaft Straf­an­zei­ge we­gen Amts­ge­heim­nis­ver­let­zung ein­ge­reicht. Zwar rich­tet sich die Straf­an­zei­ge of­fi­zi­ell ge­gen un­be­kannt, trotz­dem ist der Mit­ar­bei­ter in der An­zei­ge als Ein­zi­ger na­ment­lich er­wähnt. Es heisst: Er sei «als Tä­ter nicht aus­zu­schlies­sen». Beim Be­trof­fe­nen kam es zu einer Haus­durch­su­chung und Be­schlag­nah­mun­gen, ge­gen die er sich beim Bun­des­straf­ge­richt in Bel­lin­zo­na zur Wehr setz­te. Noch hat das Ge­richt den Rekurs nicht be­han­delt. Der Be­trof­fe­ne hat zu sei­ner Ver­tei­di­gung nun einen wei­te­ren Schritt un­ter­nom­men und ge­gen Gail­lard eine Straf­an­zei­ge, un­ter an­de­rem we­gen Amts­miss­brauchs, ein­ge­reicht. Sein An­walt be­stä­tigt dies ge­gen­über dem TA. Gail­lard sagt: «Ich ha­be al­les ge­tan, um Kon­flik­te zu ent­schär­fen. In die­sem Fall wohl er­folg­los.» Der Fall wird wohl vor Ge­richt en­den.

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Informatikchef der ZAS geht

Der IT-Skan­dal bei der Zen­tra­len Aus­gleichs­stel­le in Genf hat auch für den Ab­tei­lungs­chef Kon­se­quen­zen.

Philippe Reichen Lausanne

Die Geschäfts­lei­tung der Zen­tra­len Aus­gleichs­stel­le (ZAS) in Genf, der wich­tig­sten AHV-Zahl­stel­le der Schweiz, und ihr In­for­ma­tik­chef tren­nen sich per En­de Ok­to­ber. Dies hat der Ka­der­mann der Be­leg­schaft ges­tern von sich aus in einer in­ter­nen Mit­tei­lung be­kannt ge­ge­ben. Der IT-Chef schreibt: «Jetzt, wo das me­dia­le Ge­wit­ter hin­ter uns zu lie­gen scheint, muss ich Bi­lanz zie­hen, mich hin­ter­fra­gen und die bes­te Lö­sung für die IT-Ab­tei­lung und die ZAS avi­sie­ren.» Er ha­be des­halb be­schlos­sen, sich neu­en Her­aus­for­de­run­gen in einer an­de­ren Or­ga­ni­sa­ti­on zu stel­len.

Reichen

Patrick Schmied
ZAS-Direktor

Seinen Pos­ten über­nimmt in­te­ri­mis­tisch ZAS-Di­rek­tor Pat­rick Schmied, der am 1. August die­ses Jah­res die im No­vem­ber 2013 zu­rück­ge­tre­te­ne Di­rek­to­rin Va­lé­rie Ca­ve­ro er­setzt hat. ZAS-Di­rek­ti­ons­ad­junkt Mar­kus Oder­matt be­stä­tig­te ges­tern ge­gen­über dem TA den Ab­gang des IT-Chefs, woll­te auf die Be­weg­grün­de sei­nes Kol­le­gen aber nicht nä­her ein­ge­hen. Doch es ist an­zu­neh­men, dass der Ka­der­mann mit sei­nem Ent­scheid die Kon­se­quen­zen aus dem IT-Skan­dal zieht. Die­sen hat er mit­zu­ver­ant­wor­ten.

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Der Skandal war Ge­gen­stand je einer Un­ter­su­chung von Ernst & Young und der Eid­ge­nös­si­schen Fi­nanz­kon­trol­le. Dem IT-Chef steht seit Ab­schluss der Un­ter­su­chun­gen ein Coach zur Sei­te. Die­ser soll auch da­für sor­gen, dass die zu 90% aus AHV-Geldern finan­zier­te ZAS ih­re IT-Pro­jek­te kor­rekt aus­schreibt. Zu­min­dest seit 2012 war dies nicht mehr der Fall. Die Bun­des­stel­le hat zum Teil meh­re­re Mil­lio­nen Fran­ken teu­re IT-Pro­jek­te frei­hän­dig ver­ge­ben und da­mit ge­gen das Be­schaf­fungs­recht ver­stos­sen. Et­li­che Pro­jek­te, auch frü­her lan­cier­te, muss­ten er­geb­nis­los ab­ge­bro­chen wer­den. Auch kam es zu Kos­ten­über­schrei­tun­gen. Die In­ve­sti­tio­nen in die Mo­der­ni­sie­rung des IT-Sys­tems zeig­ten we­nig Wir­kung. Das sieht of­fen­bar auch der ab­tre­ten­de IT-Chef so. Er schreibt: «Den Weg, den es bei der Mo­der­ni­sie­rung (…) zu gehen gilt, ist noch lang. Aber die Grund­stei­ne für die Zu­kunft sind ge­legt.»

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Seco-Affäre: Aufträge im Wert von 73 Millionen seit 2006

Zwei IT-Fir­men pro­fi­tier­ten in den letz­ten acht Jah­ren von den frei­hän­di­gen Ver­ga­ben.

Christian Brönnimann Bern

Bislang war nur bruch­stück­haft be­kannt, wie gross die Auf­trä­ge an die Fir­men wa­ren, die in die Kor­rup­ti­ons­af­fä­re im Staats­sek­re­ta­ri­at für Wirt­schaft (Se­co) in­vol­viert sind. Öf­fent­lich pub­li­ziert wur­den die durch­wegs frei­hän­di­gen Ver­ga­ben näm­lich nie. Nun schafft das Se­co auf Nach­fra­ge Klar­heit für die letz­ten acht Jah­re: Seit 2006 er­hiel­ten die bei­den Fir­men Auf­trä­ge im Wert von 73 Mil­lio­nen Fran­ken für Dienst­leis­tun­gen und Hard­wa­re für die In­for­ma­tik­sys­te­me der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung. Wie viel da­von ab­ge­zweigt wur­de, ist Ge­gen­stand der lau­fen­den Un­ter­su­chung der Bun­des­an­walt­schaft.

Mit dem Geld wur­de un­ter an­de­rem ein neu­es Re­chen­zen­trum auf­ge­baut, das zwar gut funk­tio­niert, aber mög­li­cher­wei­se gar nicht zwin­gend not­wen­dig ist. Das Se­co über­prüft der­zeit, ob die IT-Sys­te­me der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung rich­tig auf­ge­stellt sind. Gut drei Vier­tel der 73 Mil­lio­nen gin­gen an die Fritz & Mac­zi­ol (Schweiz) AG und an zwei Fir­men, die in ihr auf­ge­gan­gen sind. Knapp ein Vier­tel der Ge­samt­sum­me ging an die Sys­tem Con­nect AG.

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Seit über 20 Jahren im Geschäft

Die Auftrags­vo­lu­men der Zeit vor 2006 sind nicht be­kannt. Es ist aber da­von aus­zu­ge­hen, dass die Ge­schäfts­be­zie­hun­gen zu den Fir­men schon län­ger be­stan­den. Der In­ha­ber der Sys­tem Con­nect AG sag­te bei sei­ner Ein­ver­nah­me aus, seit über 20 Jah­ren vom Se­co Auf­trä­ge er­hal­ten zu ha­ben. Zu­dem kon­sta­tier­te die Bun­des­an­walt­schaft be­reits 2007, dass der be­schul­dig­te Se­co-Res­sort­lei­ter «im­mer mit den­sel­ben Fir­men» zu­sam­men­ar­bei­te.

Das Zi­tat stammt aus der Ein­stel­lungs­ver­fü­gung eines ers­ten Ver­fah­rens ge­gen den be­schul­dig­ten Res­sort­lei­ter, das die Bun­des­an­walt­schaft auf­grund von zwei ano­ny­men Schrei­ben 2005 er­öff­net hat­te. Dass es 2007 oh­ne An­kla­ge wie­der ein­ge­stellt wur­de, war für die Vor­ge­setz­ten ein Zei­chen da­für, dass al­les in Ord­nung war. Der da­ma­li­ge Di­rek­tor für Ar­beit, Ser­ge Gail­lard, wird in der Ad­mi­ni­stra­tiv­un­ter­su­chung Sa­xer wie folgt wie­der­ge­ge­ben: «Da die­se Un­ter­su­chung kei­ne kon­kre­ten Re­sul­ta­te er­ge­ben ha­be, sei er (Gail­lard, Red.) da­von aus­ge­gan­gen, dass es sich um blos­se Ge­rüch­te hand­le, und ha­be ent­warnt.»

Korruption

Kampagne von Trans­pa­ren­cy

Brief­kas­ten­fir­men sol­len kor­rup­ten Un­ter­neh­mern kein Ver­steck bie­ten. Des­halb for­dert Trans­pa­ren­cy In­ter­na­tio­nal öf­fent­li­che Re­gis­ter, den bes­se­ren Schutz von Whist­le­blo­wern und die Ver­schär­fung des schwei­ze­ri­schen Kor­rup­ti­ons­straf­rechts. Ziel ist es, die Kor­rup­ten zu ent­tar­nen, wie der Ver­ein, der sich ge­gen Kor­rup­ti­on en­ga­giert, ges­tern mit­ge­teilt hat. In einem ers­ten Schritt for­dert er das Par­la­ment auf, die ge­plan­ten Geld­wä­sche­rei-Re­geln, die so­ge­nann­te Ga­fi-Vor­la­ge, nicht zu ver­wäs­sern. Der Na­tio­nal­rat hat­te im Som­mer die Em­pfeh­lun­gen der OECD-Ex­per­ten­grup­pe zer­zaust und die Vor­la­ge des Bun­des­ra­tes auf­ge­weicht.

(SDA)
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Aus heu­ti­ger Sicht war dies ein ge­fähr­li­cher Schluss, zu­mal die Er­mitt­ler schon da­mals auf ver­däch­ti­ge Geld­trans­fers sties­sen. In der Ein­stel­lungs­ver­fü­gung sind einer­seits Bar­zah­lun­gen auf ver­schie­de­ne Kon­ten des Res­sort­lei­ters und sei­ner Part­ne­rin er­wähnt. Un­ter an­de­rem zahl­te er An­fang 2006 in­nert zwei­er Mo­na­te 40'000 Fran­ken in bar auf sein Spar­kon­to ein. An­de­rer­seits über­wie­sen ihm meh­re­re Fir­men im Zeit­raum von ein­ein­halb Jah­ren 89'000 Fran­ken. Die Na­men der Fir­men sind in der frei­ge­ge­be­nen Ver­fü­gung ge­schwärzt.

Weshalb reich­te die­se Fak­ten­la­ge, zu­sam­men mit den ano­ny­men Schrei­ben, nicht für eine An­kla­ge? Ein Se­co-Ju­rist mit Ak­ten­kennt­nis äus­ser­te in der Be­fra­gung für die Un­ter­su­chung Sa­xer «Ver­wun­de­rung» über die Ver­fah­rens­ein­stel­lung. Auf An­fra­ge will er sich aber nicht wei­ter da­zu äus­sern. In der Ein­stel­lungs­ver­fü­gung steht — als Fakt for­mu­liert —, der Res­sort­lei­ter ha­be die er­wähn­ten Gel­der «im Rah­men sei­ner Tä­tig­keit als Ver­wal­ter einer Fe­ri­en­sied­lung in Spa­ni­en er­hal­ten».

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Experte äussert Verständnis

Der TA hat die Ein­stel­lungs­ver­fü­gung Pe­ter Co­san­dey vor­ge­legt. Der ehe­ma­li­ge Zür­cher Staats­an­walt und heu­ti­ge Be­ra­ter ist spe­zia­li­siert auf Wirt­schafts­kri­mi­na­li­tät. Na­tür­lich kön­ne man sich fra­gen, ob die Bun­des­an­walt­schaft al­le Mög­lich­kei­ten aus­ge­schöpft hat, sagt Co­san­dey. Denn Bar­zah­lun­gen sei­en per se ver­däch­tig. Auf­grund der For­mu­lie­run­gen aus der Ver­fü­gung sei der Ent­scheid, kei­ne An­kla­ge zu er­he­ben, für ihn aber trotz­dem nach­voll­zieh­bar.

Offenbar ha­be der be­schul­dig­te Be­am­te die ver­däch­ti­gen Zah­lun­gen eini­ger­mas­sen plau­si­bel er­klä­ren kön­nen, sagt Co­san­dey. Zu­dem ha­be die in­ter­ne Se­co-Re­vi­si­on be­stä­tigt, dass die Zu­sam­men­ar­beit mit den im­mer glei­chen Fir­men tech­nisch be­dingt war. Der An­fangs­ver­dacht ha­be sich al­so eher ab­ge­schwächt als er­här­tet. «Für die Er­mitt­ler stellt sich in je­dem Ver­fah­ren die Fra­ge, ob sich der Auf­wand zu­sätz­li­cher Ab­klä­run­gen loh­nen könn­te», sagt Co­san­dey. Je nach Prio­ri­tä­ten und Ar­beits­last müs­se man als Straf­ver­fol­ger auch mal eine Ak­te schlies­sen, selbst wenn nicht al­le Zwei­fel rest­los aus­ge­räumt sei­en. «Es gibt im­mer wie­der Fäl­le, da weiss man ge­nau, wie krum­me Ge­schäf­te ab­ge­lau­fen sind. Trotz­dem kann man sie nicht zur An­kla­ge brin­gen, weil für eine Ver­ur­tei­lung — sa­lopp aus­ge­drückt — zu we­nig Fleisch am Kno­chen ist.»