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Lohndumping
in der
Bauwirtschaft

dank Personen­freizügigkeit

Es ist be­kannt, dass auf un­se­ren Bau­stel­len rau­he Sit­ten herr­schen. Bei Kon­trol­len im Jahr 2011 wur­de fest­ge­stellt, dass je­der drit­te aus­län­di­sche und je­der vier­te Schwei­zer Ar­beit­ge­ber zu tie­fe Löh­ne be­zahlt.

Kolumne aus dem
TagesAnzeiger©
vom 23.10.2012, Seite 3 (SCHWEIZ)

Auch Nationalräte für klare Haftung auf dem Bau

Von Christian Brönnimann, Bern

Nach dem Stän­de­rat ist auch die vor­be­ra­ten­de Kom­mis­si­on der gros­sen Kam­mer da­für, dass Bau­fir­men für ih­re Sub­un­ter­neh­mer haf­ten.

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Ur­sprüng­lich hät­te die Wirt­schafts­kom­mis­sion (WAK) des Na­tio­nal­rats erst heu­te Diens­tag über ih­ren gest­ri­gen Ent­scheid zur So­li­dar­haf­tung für Bau­un­ter­neh­men in­for­mie­ren wol­len. Doch die Ge­werk­schaft Unia griff ihr vor. Be­reits am frü­hen Nach­mit­tag froh­lock­te sie in einem Com­mu­ni­qué: «Sieg der Ver­nunft». Das zeigt, wie wich­tig die So­li­dar­haf­tung für die Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter ist.

Darum geht es: In Zu­kunft soll eine Bau­fir­ma da­für haf­ten, dass ih­re Sub­un­ter­neh­men — an­de­re Fir­men, die von der ers­ten Fir­ma für einen Teil­auf­trag ein­ge­setzt wer­den — Min­dest­löh­ne und Ar­beits­be­din­gun­gen ein­hal­ten. Je­de Fir­ma muss so für die ge­sam­te ihr nach­fol­gen­de Ket­te an Auf­trag­neh­mern die Ver­ant­wor­tung über­neh­men. Da­mit soll dem Lohn­dum­ping auf Schwei­zer Bau­stel­len Ein­halt ge­bo­ten wer­den. Bei Kon­trol­len wur­de fest­ge­stellt, dass im letz­ten Jahr je­der drit­te aus­län­di­sche und je­der vier­te Schwei­zer Ar­beit­ge­ber zu tie­fe Löh­ne be­zahlt.

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CVP macht den Unterschied

Der Ent­scheid zu­guns­ten der So­li­dar­haf­tung fiel in der WAK mit 14 zu 8 Stim­men bei 2 Ent­hal­tun­gen. Wie im Stän­de­rat, der sich vor einem Mo­nat mit 22 zu 18 Stim­men da­für aus­ge­spro­chen hat­te, ga­ben die CVP-Ver­tre­ter den Aus­schlag. Sie stimm­ten zu­sam­men mit der Lin­ken ge­schlos­sen für die Neu­re­ge­lung.

Die Mass­nah­me ge­gen Lohn­dum­ping sei ein «gol­de­ner Mit­tel­weg», sagt WAK- und CVP-Prä­si­dent Chris­to­phe Dar­bel­lay. Es brau­che sie, um die Ak­zep­tanz der Per­so­nen­frei­zü­gig­keit mit der EU zu si­chern. An­gesichts der vie­len Fäl­le von Lohn­dum­ping er­war­te die Be­völ­ke­rung nun ein kla­res Zei­chen der Po­li­tik, sagt Dar­bel­lay. Er rech­net da­mit, dass sei­ne Par­tei die So­li­dar­haf­tung auch im Rats­ple­num un­ter­stüt­zen wird. Ent­spre­chen­de Dis­kus­sio­nen in­ner­halb der Frak­ti­on hät­ten be­reits statt­ge­fun­den.

Mit der So­li­dar­haf­tung will die Mit­te die Per­so­nen­frei­zü­gig­keit im Hin­blick auf die Ab­stim­mung über de­ren Er­wei­te­rung auf Kroa­ti­en und die zwei Zu­wan­de­rungs­ini­tia­ti­ven von SVP und Eco­pop stär­ken. Da­für setzt sich auch der frei­sin­ni­ge Wirt­schafts­mi­nis­ter Jo­hann Schnei­der-Am­mann ein. Im Ge­gen­satz zur CVP ver­sagt ihm sei­ne eige­ne Par­tei aber die Un­ter­stüt­zung. Sie schei­ter­te in der WAK mit einem Kom­pro­miss­vor­schlag, wie FDP-Na­tio­nal­rat Ful­vio Pel­li er­klärt. Die­ser hät­te eine Test­pha­se von fünf Jah­ren vor­ge­se­hen. Die So­li­dar­haf­tung oh­ne Test­pha­se leh­ne er hin­ge­gen ab, weil nicht si­cher sei, ob sie tat­säch­lich et­was nüt­ze, sagt Pel­li. «Egal ob mit oder oh­ne So­li­dar­haf­tung, wird es Un­ter­neh­men ge­ben, die sich um die Re­geln fou­tie­ren.»

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Baumeister lancieren neue Idee

Die FDP prüft nun laut Pel­li, ih­ren Kom­pro­miss­vor­schlag auch in die Na­tio­nal­rats­de­bat­te, die für die kom­men­de Win­ter­ses­si­on vor­ge­se­hen ist, ein­zu­brin­gen. Auf­grund der Mehr­heits­ver­hält­nis­se müss­te sie al­ler­dings ne­ben der SVP wohl auch CVP-Par­la­men­ta­ri­er da­für ge­win­nen, um Er­folg zu ha­ben.

Einen letz­ten Trumpf hält auch der Schwei­ze­ri­sche Bau­meis­ter­ver­band noch in der Hand. Für ihn ist die So­li­dar­haf­tung eine «un­er­hör­te» und «fa­ta­le» Mass­nah­me, die die gan­ze Bran­che «un­ter Ver­dacht stellt». Als Er­satz da­für wol­le man ver­su­chen, bei den Par­la­men­ta­ri­ern eine neue Kon­troll­mög­lich­keit be­liebt zu ma­chen, er­klärt Zen­tral­prä­si­dent Wer­ner Mess­mer. Kon­kret will der Bau­meis­ter­ver­band eine Art elek­tro­ni­schen Aus­weis ein­füh­ren, den al­le Ar­bei­ter auf einer Bau­stel­le auf sich tra­gen müs­sen. Auf dem Bad­ge sol­len al­le re­le­van­ten Da­ten — Lohn, Ein­satz­be­reich und wei­te­res — ge­spei­chert sein, was die Kon­trol­le er­leich­tern wür­de, wie Mess­mer er­klärt. Wer den Bad­ge bei einer Kon­trol­le nicht vor­wei­sen kann, wür­de mit einem Ar­beits­ver­bot be­legt.

© TAGES-ANZEIGER

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Es ist be­kannt, dass auf un­se­ren Bau­stel­len rau­he Sit­ten herr­schen. Bei Kon­trol­len im Jahr 2011 wur­de fest­ge­stellt, dass je­der drit­te aus­län­di­sche und je­der vier­te Schwei­zer Ar­beit­ge­ber zu tie­fe Löh­ne be­zahlt.

Ein enor­mer Preis­druck bei den Of­fer­ten (so­wie Über­ka­pa­zi­tä­ten und Raff­gier) führt für den Auf­trag­neh­mer zu ex­tre­mem Spar­druck. Die­ses Sys­tem hat un­an­ge­neh­me Fol­gen:

Problem 1

Als Bau­herr möch­te ich bau­en, güns­tig aber Ge­set­zes-kon­form. Ich ge­he Bau­un­ter­neh­mun­gen an, um eine Of­fer­te. Da­bei muss und darf ich da­von aus­ge­hen, dass die an­ge­bo­te­nen Leis­tun­gen ge­mäss den SIA-Nor­men aus­ge­führt wer­den und kei­ne Ge­set­ze ver­let­zen. — Die Er­fah­run­gen zei­gen aber, dass nicht al­le Bau­un­ter­neh­mer die­ses Ver­trau­en ver­die­nen.

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Problem 2

Die Häu­fig­keit der Ver­stös­se, die bei Kon­trol­len fest­ge­stellt wur­den, zeigt, dass die­se be­hörd­li­chen Kon­trol­len not­wen­dig sind. Sie sind aber mit einem enor­men Auf­wand ver­bun­den.

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Der Bau­meis­ter­ver­band woll­te lan­ge die­se Kon­trol­len ver­hin­dern. (Wa­rum wohl? Das kann nur eines heis­sen: Be­trü­gen ist Trumpf. Jetzt gibt der Ver­band un­ter Druck nach; er be­grüsst jetzt die Kon­trol­len, be­kämpft aber ve­he­ment die “So­li­dar­haf­tung” (der Un­ter­neh­mer haf­tet für sei­ne Sub­un­ter­neh­mer, so­fern die­se nicht di­rekt be­haf­tet wer­den kön­nen). Er will nur ver­meint­lich die Kon­trol­len er­leich­tern, in­dem er eine Chip-Kar­te (wie Kre­dit­kar­ten oder Ge­sund­heit­kar­ten) die al­le not­wen­di­gen An­ga­ben für die Kon­trol­leu­re ent­hal­ten. Er ver­schweigt aber den ge­wal­ti­gen Auf­wand für die Er­stel­lung die­ser Kar­ten und un­ter­schätzt die Be­trugs­mög­lich­kei­ten to­tal.

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Das ist das Ein­gangs­tor zur Kor­rup­ti­on. Die Sub­un­ter­neh­mer­net­ze wer­den als Maf­fia-Struk­tur ge­braucht.

Siehe auch:

 ➔ Korruption (allgemein) 

 ➔ in der Wirtschaft 

 ➔ Lohndumping in der Bau­wirt­schaft 

 ➔ Mangelnde Sensibilität